ESMO-Highlights 2020 – Neuroendokrine Tumore (NET)

Der diesjährige Kongress der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) fand in einem virtuellen Rahmen statt. Dies hinderte unsere Expertenrunde jedoch nicht daran, ihre Highlight-Studien aus dem Bereich neuroendokriner Tumoren vorzustellen und zu diskutieren.

Die Referenten legen dabei unterschiedliche Schwerpunkte: Neben einem Einblick in die personalisierte Medizin werden Studien zur systemischen Therapie mit Tyrosinkinase-Inhibitoren und Immuncheckpoint-Inhibitoren präsentiert. Auch nuklearmedizinische Therapieansätze kommen in dieser Fortbildung zur Sprache.

Dr. med. Leonidas Apostolidis
Gerade beim neuroendokrinen Tumor ist durch die Somatostatin-Rezeptorexpression oftmals eine zielgerichtete Therapie möglich und ist damit vielen anderen Tumorentitäten einen Schritt voraus.


Kursinfo
VNR-Nummer 2760709121017660015
Zeitraum 19.01.2021 - 18.01.2022
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte Fortbildung abgelaufen
Zielgruppe Ärzte
Referent Dr. Leonidas Apostolidis
Dr. Dr. Barbara Kiesewetter-Wiederkehr
Prof. Dr. Alexander Haug
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vorträge, Lernerfolgskontrolle (pdf); Bearbeitungsdauer: 90 Minuten
Fortbildungspartner Ipsen Pharma GmbH
Bewertung 3.5 (345)

Vortrag 1 – Personalisierte Medizin Definition (Dr. Leonidas Apostilidis)

Die personalisierte Medizin ist definiert als Steuerung von Therapie und Diagnostik durch molekulare Marker. Ziel ist es, Patienten unter anderem anhand ihrer Vorbehandlungen in Gruppen einzuteilen und darauf aufbauend einen Therapieplan zu erstellen. Mit Larotrectinib gibt es schon ein Medikament, das über einige Tumorentitäten hinweg (z.B. Lunge, Colon, Pankreas) wirksam gegen sogenannte NTRK-Fusionen ist. Auf dem ESMO waren auch RET-Fusionen ein Thema, die gehäuft beim Schilddrüsen-Ca und beim Nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) zu finden sind, aber auch in anderen Tumoren vorkommen. Hier stehen mit Pralsetinib und Selpercatinib Substanzen bereit, die beispielsweise beim Pankreas-Ca passable Ansprechraten zeigten. Die Frage wird sein, ob eine Zulassung über die Tumorentitäten hinweg erfolgt, da RET-Fusionen insgesamt doch recht selten sind.

Marker für die Immuntherapie

Auch für die Immuntherapie gibt es komplexe Biomarker, die beeinflussen wie erfolgreich das Ansprechen wahrscheinlich sein wird. Das Problem dabei ist, dass der einzelne Marker einen relativ geringen prädiktiven Wert hat und somit auf ein Konstrukt von Biomarkern zurückgegriffen werden muss. Dazu gehören unter anderem: PD-L1-Expression, PD-L1-Amplifikation und Tumor mutational burden (TMB). Auch das Mikrobiom scheint einen Einfluss auf das Ansprechen der Immuntherapie zu haben, was das Erstellen einer personalisierten Therapie noch herausfordernder macht. Ein weiterer Biomarker ist die homologe Reparatur-Defizienz „BRCAness“. Hier konnte in der PROfound-Studie für das kastrationsresistente Prostata-Ca (CRPC) ein verbessertes Überleben erreicht werden, wenn die Patienten Alterationen in den entsprechenden Genen aufwiesen und mit Olaparib behandelt wurden. Hier sind zu nennen: BRCA ½, ATM, BARD1 und einige mehr. Auch hier ist nicht jede Alteration mit einem guten Ansprechen auf Olaparib assoziiert.

NCT/DKTK MASTER-Programm

Es ist offensichtlich, dass eine Vielzahl von Biomarkern existieren. Das MASTER-Programm (Molecularly Aided Stratification for Eradication Research), hat es sich zur Aufgabe gemacht diese zu charakterisieren und daraus diagnostische sowie therapeutische Konsequenzen abzuleiten. Seit 2016 werden RNA von Patienten mit seltenen Tumoren sequenziert und DNA-Methylierungsprofile erstellt. Die Patienten werden dann in einem molekularen Tumorboard besprochen, ehe optimalerweise Behandlungsempfehlungen ausgesprochen werden. Dabei wird auf eine Evidenztabelle zurückgegriffen. Wie effizient ist diese Therapie? Zunächst einmal konnte bei knapp 87% eine Therapieempfehlung ausgesprochen werden, umgesetzt wurde sie aber aus diversen Gründen nur bei 30%. Bei diesem Kollektiv konnte eine Overall Response Rate (ORR) von 18,7% sowie bei 35,7% eine PFS-Ratio von > 1,3 festgestellt werden. Die PFS-Ratio stellt dabei einen Vergleich des progressionsfreien Überlebens zur Vortherapie her. Aus den im NCT/DTK MASTER-Programm generierten Daten sollen entsprechende Studien begonnen werden. Diese sind teilweise sehr speziell auf eine Tumorentität zugeschnitten, können aber auch mehrere Tumorerkrankungen umfassen, die einen bestimmten molekularen Marker tragen.

Herausforderungen

So vielversprechend der Ansatz der personalisierten Medizin auch ist, geht er auch mit bestimmten Herausforderungen einher:
  • Überführung der Studien-basierten Konzepte in die Praxis
  • Vergütung
  • Wie reproduzierbar und valide sind die Empfehlungen des molekularen Tumorboards?
  • Umsetzung der Empfehlungen
  • Problem: Studien im stationären Setting kaum kostendeckend durchführbar, da im DRG-System nicht berücksichtigt.
Deswegen soll der Aufbau eines Zentrums für personalisierte Medizin (ZPM) dabei helfen, off-label-Therapien unter Voraussetzung einer gewissen Evidenz durchzuführen. Hierbei soll ein enger Austausch mit den Krankenkassen die Kostenübernahme klären.

Zusammenfassung

Die personalisierte Medizin verbessert das Outcome der Patienten bei einigen Tumorentitäten. Hierbei können sowohl auf einfache (NTRK, RET) als auch auf komplexe Biomarker, zum Beispiel vor Beginn einer Immuntherapie, notwendig sein. Die Studienkonzepte gestalten sich zunehmend komplex, sodass die größte Herausforderung die Umsetzung in die klinische Praxis bleibt.

Vortrag 2 – Highlights Neuroendokrine Neoplasien (PD Dr. Barbara Kiesewetter)

Grundlagen

Die neuroendokrinen Tumore der Lunge zeigen eine zunehmende Inzidenz, in den USA liegt diese mittlerweile bei 1,6/100.000. Der einzig kurative Ansatz ist dabei die chirurgische Resektion. Im metastasierten Stadium kommen unterschiedliche Therapieregime in Frage. Dabei stellt die Therapie mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus die einzige zugelassene Therapielinie dar. Hier konnte in der Radiant4-Studie ein medianes PFS von 9,2 Monaten erreicht werden.

ATLANT-Studie: Hintergründe

Die ATLANT-Studie beschäftigt sich mit einer neuen Kombinationstherapie zur Behandlung von neuroendokrinen Tumoren (NET) der Lunge. Konkret handelt es sich dabei um Lanreotid und Temozolomid. Lanreotid wurde bereits im Rahmen der CLARINET-Studie bei gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Tumoren in einer Dosis von 120 mg appliziert und konnte dort im Vergleich zum Placebo ein signifikant besseres Überleben induzieren (Hazard Ratio: 0,47).

ATLANT-Studie: Studiendesign

Es handelt sich um eine multizentrische, einarmige Phase-II-Pilotstudie mit dem primären Endpunkt der Disease Control Rate (DCR) nach 9 Monaten. Sekundäre Endpunkte sind neben dem progressionsfreien Überleben (PFS) unter anderem auch Biomarker. Das Studienprotokoll sieht eine Gabe von Lanreotid 120 mg s.c. am Tag 1 des Zyklus vor, Temozolomid wurde in einer Dosis von 250 mg p.o. von Tag 1-5 verabreicht. Dieses Schema wurde alle 28 Tage wiederholt über einen Zeitraum von 48 Wochen. Insgesamt wurden 40 Patienten in die Studie eingeschlossen, 45% wiesen ein atypisches Karzinoid auf. Leider waren bei 25% keine Daten über die Anzahl der Mitosen nachweisbar. Metastasen konnten bei 95% der Studienteilnehmer nachgewiesen werden.

Primäre- und sekundäre Endpunkte, Nebenwirkungen

Die Disease Control Rate per Investigator lag nach 9 Monaten bei 35%, allerdings galt bei dieser Studie die Maßgabe, dass die untere Grenze des 95%-Intervalls über 30% liegen muss, um einen klinischen Benefit zu zeigen. Das wurde nicht erreicht, die untere Grenze liegt in diesem Fall bei 20,63%. Weiterhin wurde die DCR zwischen 7,5- und 10 Monaten evaluiert. Hier lag die Disease Control Rate bei 45%, die Overall Response Rate (ORR) bei 7,5%. Das PFS lag im Median bei 37,1 Wochen. Lanreotid und Temozolomid gelten als sichere Substanzen, jedoch wurden in der ATLANT-Studie zwei therapieassoziierte Todesfälle verzeichnet.

Conclusio der ATLANT-Studie

Die ATLANT-Studie liefert erste prospektive Daten. Die Ergebnisse -gerade mit Blick auf das PFS – decken sich mit denen aus der RADIANT4-Studie. Interessant wären darüber hinaus Daten zu den weiteren sekundären Endpunkten sowie eine Kombination mit Capecitabin. Weiterhin wären Daten zu der Somatostatin-Rezeptor-Expression wünschenswert, um daraus gegebenenfalls Subgruppen bilden zu können.

Immuntherapie für neuroendokrine Tumoren?

Die Behandlung neuroendokriner Tumoren mittels Immuntherapie gestaltet sich schwierig. Das liegt daran, dass NET als „cold tumors“ klassifiziert werden, die eine geringe Expression von PD-L1 und Tumor Mutational Burden (TMB) zeigen. Dies schlägt sich auch in Studienergebnissen nieder: In der KEYNOTE-158 sprachen nur 4 von 100 Patienten auf eine Immuntherapie an. Hoffnungsvoll stimmen jedoch Daten aus der DART-SWOG-1609-Studie, in der mit einer Kombination aus Ipilimumab+Nivolumab eine ORR von 44% bei neuroendokrinen Tumoren gezeigt werden konnte.

DUNE trial (GETNE 16011)

In dieser Studie wurde die Wirksamkeit der Kombinationstherapie aus Durvalumab (PD-L1-Inhibitor) und Tremelimumab (CTLA-4-Inhibitor) in der Behandlung von gastroenteropankreatischen NET sowie NET der Lunge untersucht. Dazu wurde Durvalumab (1500 mg) und Tremelimumab (75 mg) alle 4 Wochen in bis zu 4 Zyklen appliziert. Danach erfolgte für eine Dauer von 9 Zyklen eine Monotherapie mit Durvalumab.

Vortrag 3 – CheckMate 9ER: Was spricht FÜR die Kombination aus Cabozantinib und Nivolumab? (Prof. Dr. Gunhild von Amsberg)

Kohorten und statistisches Design

Die Studienteilnehmer wurden in 4 Kohorten aufgeteilt:
  1. Typische und atypische Lungenkarzinoide
  2. G 1/2 gastrointestinale NET
  3. G1/2 pankreatische NET
  4. G3 gastroenteropankreatische (GEP-NET)
Dabei wurde für die Kohorten 1-3 die Clinical Benefit Rate (CBR) nach 9 Monaten als primärer Endpunkt gewählt, in der 4. Kohorte war es das Gesamtüberleben (OS).

Ergebnisse

Die CBR lag bei den Kohorten 1-3 bei 7,4%, 32,3% und 25%. Der vorgegebene Cut-off-Wert von 50% wurde also nicht erreicht. Anders beim Gesamtüberleben: Hier konnte für die Kohorte 4 eine Überlebensrate von 36,1% gezeigt werden. Die Patienten mit G3 GEP-NET (Kohorte 4) sprachen auch mit 7,2% am besten auf die Therapie an. Bei den G1/2 pankreatischen NET lag die Overall Response Rate immerhin noch bei 6,9%, in den Kohorten 1 und 2 bei 0%. Das progressionsfreie Überleben war in den Kohorten 2 und 3 mit knapp 8 Monaten am höchsten. In Kohorte 1 lag es bei 5,4 Monaten und in Kohorte 4 nur noch bei 2,5 Monaten.

Zusammenfassung

Die Kombinationstherapie zeigte nur einen leichten Benefit. ORR und CBR waren dabei niedriger als erwartet. Folglich lässt sich sagen, dass die Immuntherapie wahrscheinlich nicht für jede Tumorentität anwendbar ist. Dennoch wären mehr Daten – beispielsweise über die TMB-Expression – durchaus wünschenswert.

R-GETNE

Ziel dieser Arbeit war die Analyse prognostischer Faktoren von 535 Patienten mit G3 gastroenteropankreatischen neuroendokrinen Karzinomen. Es zeigte sich, dass gerade Patienten in frühen Therapiestadien (I-III) ein schlechteres Gesamtüberleben vorweisen konnten. Das weibliche Geschlecht sowie die Lokalisation des Tumors im Dünndarm waren hingegen mit einem besseren Outcome assoziiert.

Vortrag 3 – Neuroendokrine Neoplasien – neue Studiendaten in der Systemtherapie (Dr. Leonidas Apostolidis)

CLARINET-FORTE-Studie

Der Anspruch der CLARINET-FORTE-Studie war die Evaluation der Wirksamkeit und Sicherheit einer erhöhten Lanreotid Dosis (120 mg) alle 2 Wochen, statt der üblichen 4 Wochen. Die Studienteilnehmer hatten entweder progressive pankreatische NET oder Mitteldarm NET unter einer Therapie mit Lanreotid. Zu den weiteren Einschlusskriterien zählten unter anderem die Positivität der Tumoren für den Somatostatinrezeptor (SSTR) sowie ein Ki-67-Index ≤20%. Die eingeschlossenen Patienten wiesen mehrheitlich eine geringe Tumorlast auf. In den Ergebnissen zeigte sich, dass das PFS in der Mitteldarm-Kohorte bei 8,3 Monaten und in der Kohorte der pankreatischen NET bei 5,3 Monaten lag. Diese Resultate decken sich auch mit den Daten aus der NETTER-Studie, in der durch eine Dosiserhöhung des Octreotids auf 60 mg ein PFS von 8,4 Monaten bei den Mitteldarm NET erreicht wurde. Die Dosiserhöhung des Lanreotids wurde insgesamt gut toleriert. Nur ein Patient wies Grad-3-Nebenwirkungen auf. Die häufigsten Nebenwirkungen waren gastrointestinale Störungen.

Fazit

Die Dosiserhöhung zeigte ermutigende Daten im Hinblick auf das progressionsfreie Überleben. Diese Therapieoption (off-label) könnte insbesondere dann erwogen werden, wenn ein Wechsel zu einem toxischerem Therapieregime bevorsteht.

REMINET-Studie

Die REMINET-Studie ist eine französische Phase-II-Studie mit der Fragestellung, wie wirksam die Gabe von Lanreotid bei Patienten mit nicht-resektablen duodeno-pankreatischen NET ist, die bereits eine Vortherapie – überwiegend eine Chemotherapie mit Temozolomid - erhalten haben. Dazu wurden die Teilnehmer randomisiert und stratifiziert, um entweder Lanreotid 120 mg oder ein Placebo zu erhalten.

Ergebnisse und Fazit

Das PFS unter Lanreotid-Gabe lag bei 73,1 Monaten versus 54,2 Monate beim Placebo. Beim Gesamtüberleben zeigte sich eine Separation der Kurven. Aufgrund der geringen Toxizität ist diese Therapie also durchaus geeignet, um das Intervall bis zur nächsten Chemotherapie zu verlängern.

SANET-p- und SANET-ep-Studie

Untersucht wurde die Wirksamkeit des Tyrosinkinase-Inhibitors Surufatinib bei pankreatischen NET, der gegen VEGFR, FGFR1 und CSF-1R gerichtet ist und somit ein ähnliches Spektrum wie das Sunitinib abdeckt. Bereits in der SANET-ep-Studie (ep = extrapankreatisch) konnte eine Verbesserung des PFS mit Surufatinib erzielt werden. Dabei war besonders interessant, dass viele Patienten auch Rektum NET aufwiesen, die als schwierig zu therapieren gelten. Dennoch konnte auch bei diesen Patienten das progressionsfreie Überleben verbessert werden. In die Sanet-p-Studie (p = pankreatisch) wurden vor allem Patienten mit mehrheitlich G2-Tumoren eingeschlossen, die bereits Lebermetastasen hatten. Das PFS per Investigator lag bei 10,9 Monaten versus 3,7 Monate unter Placebo. Der Therapieeffekt zeigte sich über alle Subgruppen hinweg. Therapie-naive Patienten profitierten allerdings deutlich weniger. Dennoch zeigte sich unter Surufatinib eine ermutigende Gesamtansprechrate von 19,2%. Surufatinib führte bei 79% der Studienteilnehmer mindestens zu Grad-3-Nebenwirkungen, die in 12% der Fälle einen Therapieabbruch nach sich zogen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Hypertonie, Proteinurie und Diarrhö.

Zusammenfassung des Vortrags

  • Lanreotid 120 mg (CLARINET forte): PFS vielversprechend bei geringer Toxizität
  • Lanreotid-Erhaltungstherapie nach Chemo- oder molekular zielgerichteter Erstlinientherapie bei pNET (REMINET): verbessertes PFS
  • Sunitinib-Rechallenge bei pNET (RESUNET): einzelne Patienten können profitieren
  • Surufatinib (SANET-ep): Effektivität auch bei Foregut und Hindgut (Rektum) NET
  • Surufatinib (SANET-p): positive Phase-III-Studie aus Asien mit verbessertem PFS für pankreatische NET  große Frage: reichen die Daten für Zulassung im US- bzw. europäischem Raum?

Vortrag 4 – ESMO Highlight Session 2020: Nuklearmedizin (Assoc.-Prof. PD Dr. med Alexander Haug)

Lutetium-Satoreotide Tetraxetan bei neuroendokrinen Tumoren

Hintergrund und Grundlagen

Bei dieser Substanz handelt es sich um einen neuen Somatostatin-Rezeptor-Antagonisten, der an den Subtyp 2 bindet und bereits eine akzeptable Toxizität zeigte. Ein weiterer Vorteil ist, dass pro Zyklus nur 4,5 GBq notwendig sind, beim Lutetium-Dotatate sind es 7,5 GBq. Ein weiterer Unterschied ist, dass es sich beim Dotatate, um einen Agonisten des Somatostatin-Rezeptors handelt. Agonisten werden anschließend in die Zelle internalisiert. Studien konnten mittlerweile zeigen, dass Antagonisten mit einer höheren Affinität an Somatostatin-Rezeptoren binden. Ziel der Studie war die Untersuchung der Sicherheit und Wirksamkeit bei progredienten NET.

Studiendesign

Eingeschlossen wurden Patienten mit nicht-resektablen G1/2 gastroenteropankreatischen NET, aber auch mit typischen- und atypischen Karzinoiden der Lunge. Weiterhin relevant waren ausreichende hepatische, renale und hämatologische Funktionen. Auch durfte keine Vorbehandlung mit einer Peptid-Radio-Rezeptor-Therapie (PRRT) erfolgt sein. Die Studie wurde in Part A und Part B aufgeteilt. In Part A wurden 15 Patienten in bis zu 3 Zyklen mit 4,5 GBq und einer Peptidmasse von 300 µg behandelt. Part B beinhaltete 3 Kohorten mit unterschiedlichen Therapie-Schemata. Kohorte 1 wies dabei mit 6,5 GBq ein erhöhtes Radioaktivitätslevel auf, die Peptidmasse blieb jedoch unverändert bei 300 µg. In den beiden anderen Kohorten wurde die Radioaktivität auf 4,5 GBq festgelegt, jedoch intermittierend die Peptidmasse auf 700 µg (Kohorte 3) beziehungsweise 1300 µg (Kohorte 6) erhöht.

Sicherheit

Bei 2 Patienten traten schwere therapieassoziierte studienbezogene Grad-3-Nebenwirkungen auf, bei einem Grad-4-Nebenwirkungen. Insgesamt mussten 6 Patienten die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen unterbrechen, die hämatologischer Natur waren: 2 Patienten wegen Thrombozytopenie, einer wegen Neutropenie.

Ergebnisse

Bei knapp 30% zeigte sich eine partielle Remission, bei 70% eine Stabilisierung. 30% der Studienteilnehmer sprachen auf die Therapie an. Die Disease Control Rate nach 12 Monaten lag bei 90%. Das mediane PFS wurde nicht erreicht.

FDG-PET/CT und Langzeitansprechen auf Everolimus bei fortgeschrittenen neuroendokrinen Neoplasien – Die Rationale hinter der Studie

Es wurden 66 Patienten retrospektiv eingeschlossen, die ein FDG PET/CT vor Everolimus erhielten. Hintergrund ist, dass sich das FDG PET/CT relativ gut eignet, um die Prognose zu stratifizieren: Patienten mit FDG-positiven Metastasen haben ein 9-fach erhöhtes Risiko für einen Progress. Der Gedanke war also, dass Patienten mit FDG-negativen Metastasen möglicherweise länger auf Everolimus ansprechen könnten. Es stellte sich heraus, dass der einzige prädiktive Wert der Ki-67-Index war. Das FDG PET/CT eignet sich also nicht, um Patienten zu identifizieren, die besonders von einer Therapie mit Everolimus profitieren könnten.

„Fachfremde Präsentationen“

Umfrage über Herausforderungen beim Zugang zu Diagnostik und Therapie für NET-Patienten

Insgesamt nahmen fast 3000 Teilnehmer aus 68 verschiedenen Ländern teil. Unter ihnen waren ca. 2400 NET-Patienten und 400 Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen. Nach eigener Angabe erhielten 44% der Patienten initial eine falsche Diagnose, 46% hatten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits einen Grad-4-Tumor oder Metastasen und insgesamt betrug die Zeit bis zur Diagnosestellung im Durchschnitt 5 Jahre. Bei der weiteren Behandlung war darüber hinaus auffällig, dass nur 53% der Teilnehmer angaben, in den letzten 12 Monaten von einem NET-Spezialisten untersucht worden zu sein. In Europa waren es immerhin 61%. Noch geringer war der Anteil, der von einem interdisziplinären Tumorboard evaluiert wurde. Hier waren es weltweit 33% und in Europa 39%. In Anbetracht der Ergebnisse verwundert die Empfehlung der Onkologen, die teilnahmen nicht: Ein besserer Zugang zu NET-Experten sollte geschaffen werden.

METNET: Metformin in Patienten mit gut differenzierten NET – Phase-II-Studie

Metformin hat in präklinischen Studien angedeutet, dass es einen antitumorösen Effekt haben könnte durch Inhibition des mTOR-Signalwegs. Eine Kombination aus Everolimus und Metformin führte bei Patienten mit pankreatischen NET zu einem verlängerten PFS. Aus nuklearmedizinischer Sicht sind präklinische Studien interessant, die nahelegen, dass Metformin die Tumoroxygenierung verbessert und sich daraus erhöhte Strahlensensibilität ergeben könnte. Die Ergebnisse hingegen waren sehr ernüchternd. Es zeigte sich ein kurzes PFS und auch die Ansprechrate war ungenügend. Metformin wird also in der Monotherapie der NET mutmaßlich keine Rolle spielen.

LITERATUR

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