Einleitung
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Inzidenz und Prävalenz von primären malignen Lebertumoren signifikant angestiegen. Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) stellt dabei den weltweit am häufigsten vorkommenden primären malignen Lebertumor dar. Gemäß aktuellen Daten der GLOBOCAN (Global Cancer Observatory) erkrankten im Jahr 2020 weltweit >905.000 Menschen an einem primären malignen Lebertumor (HCC oder cholangiozelluläres Karzinom, englisch „biliary tract cancer”, BTC), und >830.000 verstarben infolgedessen. Leberkrebs ist zwar vergleichsweise selten, aber aufgrund seiner ungünstigen Prognose zählt er zu den häufigsten Ursachen für krebsbedingte Todesfälle. Jährlich werden in Deutschland etwa 9.800 neue Fälle diagnostiziert, wobei im Jahr 2021 fast 8.200 Todesfälle verzeichnet wurden. Etwa eine von 170 Frauen und einer von etwa 80 Männern entwickelt im Laufe ihres Lebens einen bösartigen Lebertumor. Die relativen 5-Jahres-Überlebensraten liegen bei beiden Geschlechtern bei rund 17 %. Eine Leberzirrhose ist der größte Risikofaktor für die Entstehung eines HCC. Grundsätzlich hat jeder Patient mit Leberzirrhose, unabhängig von der zugrunde liegenden Ursache – v. a. Hepatitis-C-Virus (HCV), Hepatitis-B-Virus (HBV), MASH/metabolisches Syndrom, chronischer Alkoholabusus, Hämatochromatose, α1-Antitrypsin-Mangel etc. –, ein erhöhtes Risiko, ein HCC zu entwickeln. Biliäre Karzinome (englisch „biliary tract cancer”, BTC; auch als Cholangiokarzinome bezeichnet, BTC) bilden eine heterogene Gruppe von aggressiven und invasiven Krebserkrankungen, die in der Regel Adenokarzinome sind. Je nach ihrer anatomischen Lage können BTC den intrahepatischen Gallengangskarzinomen (iBTC; ICD- 10: C22.1), den malignen epithelialen Neubildungen der Gallenblase (ICD-10: C23) und den extrahepatischen Gallengangskarzinomen (eBTC; ICD-10: C24) zugeordnet werden. Letztere werden weiter in perihiläre (pBTC, Synonym: Klatskin-Tumor) und distale Tumorlokalisation (dBTC) unterteilt. Trotz einer in den letzten 20 Jahren vor allem beim intrahepatischen BTC (iBTC) beobachteten Zunahme der Inzidenz gehören BTC zu den vergleichsweise seltenen Krebserkrankungen in Deutschland. Jährlich erkranken etwa 8000 Menschen neu an BTC, was einem Anteil von etwa 1,7 % aller Krebsneuerkrankungen (ohne kutane Tumoren) entspricht, mit einem Anteil von 1,6 % bei Männern und 1,9 % bei Frauen. Das Risiko für iBTC steigt mit zunehmendem Alter an. In Südostasien werden BTC deutlich häufiger beobachtet, wo parasitäre Infektionen wie z. B. mit Leberegeln zu chronischen Cholangitiden führen und eine ätiologisch wichtige Rolle spielen. Bei den altersstandardisierten Erkrankungsraten lässt sich seit 2003 bei eBTC eine eher konstante Entwicklung beobachten, während die Raten bei Malignomen der Gallenblase sinken und bei iBTC hingegen ansteigen. Obwohl die altersstandardisierte Mortalität von Malignomen der Gallenblase gesunken ist, bleibt die Mortalität von iBTC und eBTC konstant. Im September 2024 wurde eine aktualisierte Version der Leitlinie für das hepatozelluläre Karzinom und für biliäre Karzinome unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Viszeralmedizin (DGVS) veröffentlicht. Wesentliche Änderungen betreffen die Systemtherapie von HCC und BTC. Der Fokus dieser Fortbildung liegt auf den Empfehlungen zur systemischen Therapie. Zusätzlich wird ein Ausblick auf wichtige aktuelle klinische Studien und bedeutende wissenschaftliche Entwicklungen gegeben.
Risikofaktoren und Früherkennung des HCC
Die Früherkennung des HCC kann zu einer frühzeitigen Tumordiagnose führen, was wiederum die Überlebenszeit von Patienten mit einer Leberzirrhose als Grunderkrankung verbessern kann. Aufgrund dieser Datenlage wird eine sonographische HCC-Früherkennung in 6-monatlichem Intervall empfohlen. Patienten, die unter einer chronischen HBV-Infektion leiden, haben ein erhöhtes Risiko, ein HCC zu entwickeln. Ab einem PAGE-B Score von 10 „sollten” diesen Patienten regelmäßige Früherkennungsuntersuchungen angeboten werden. Bei fortgeschrittener Fibrose sollte HCV-Patienten ebenfalls ein Screening vorgeschlagen werden. Im Gegensatz dazu steht eine große Gruppe von Patienten mit MASH, die ein moderates Risiko für die Entwicklung von HCC haben. Für diese Gruppe ist der Nutzen eines Screenings nicht vollständig geklärt. Daher wurde für diese Patientengruppe nun eine „Kann”-Empfehlung ausgesprochen, die somit als optional anzusehen ist.
Diagnostik des HCC
Die Diagnose des HCC in der zirrhotischen Leber basiert auf bildgebenden Verfahren, die die charakteristische Kontrastmitteldynamik mit arterieller Hypervaskularisation und mit Auswaschen in der portalvenösen und venösen Phase zeigen. Für die lokale Ausbreitungsdiagnostik wird eine dynamische Magnetresonanztomografie (MRT) empfohlen. Bei einem unklaren MRT-Befund oder Kontraindikationen für die MRT-Untersuchung sollte eine zusätzliche Diagnostik mit triphasischer Computertomografie (CT) und/oder kontrastmittelverstärkter Sonografie (englisch „Contrast-enhanced ultrasound”, CEUS) erfolgen. In der nicht-zirrhotischen Leber soll eine bioptische Diagnosesicherung erfolgen. Zudem sollte in der zirrhotischen Leber in kurativer Situation bei unklarem Kontrastmittelverhalten oder in palliativer Situation ebenfalls ein bioptisches Verfahren angewendet werden. Hierbei soll die Typisierung des HCCs sich nach der aktuellen WHO-Klassifikation richten. Prädiktive molekulare Analysen sind in der routinemäßigen Diagnostik noch nicht erforderlich, können jedoch zur erweiterten Therapieplanung herangezogen werden. Für das Staging des HCC sollte ein kontrastmittelverstärktes CT von Thorax und Abdomen eingesetzt werden. Wenn im Rahmen der initialen Diagnostik ein kontrastmittelverstärktes MRT bereits das gesamte Abdomen abdeckt, genügt ein ergänzendes nativ durchgeführtes CT des Thorax.
Therapie des HCC
Die Therapie des HCC folgt einem Therapiealgorithmus, der sich auf die „Barcelona Clinic Liver Cancer”-(BCLC-)Klassifikation stützt. Es steht eine Vielzahl von Therapieoptionen zur Verfügung. Eine umfassende Bewertung der optimalen Therapiestrategie erfordert die Einbeziehung verschiedener Fachdisziplinen. Daher sollen Patienten mit HCC in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden.
Lokale Therapie des HCC
Eine Hochpräzisionsradiotherapie (Stereotactic Body Radiotherapy; SBRT) „sollte” geprüft werden, insbesondere wenn andere lokale Therapieverfahren nicht oder nur mit Einschränkungen möglich sind. In der vorherigen Leitlinienversion galt hierfür noch eine „Kann”-Empfehlung.
Bridging-Verfahren bei HCC
Da die Wartezeit auf eine Lebertransplantation schwer vorhersehbar ist, hat sich die Anwendung von lokoregionalen „Überbrückungsmaßnahmen” (Bridging) bis zur Transplantation in vielen Transplantationszentren etabliert. Für das Bridging sollen Lokalablation, Resektion oder transarterielle Verfahren (transarterielle Chemoembolisation, TACE und transarterielle Radioembolisation, TARE) eingesetzt werden. Die SBRT sollte als Bridging-Verfahren bis zur Lebertransplantation geprüft werden, wenn die weiteren Bridging-Verfahren nicht zum Einsatz kommen können. Vor Einleitung einer Bridging-Therapie soll eine Konsultation in einem Transplantationszentrum erfolgen. Patienten mit HCC (BCLC A) innerhalb der Mailand-Kriterien sollen eine Bridging-Therapie erhalten, sofern es die Leberfunktion zulässt.
Systemtherapie des HCC
Für Patienten mit HCC und erhaltener Leberfunktion im Child-Pugh-Stadium A, die Fernmetastasen aufweisen oder bei denen eine lokale Kontrolle oder Resektion des Tumors nicht möglich ist, werden die folgenden systemischen Therapieoptionen empfohlen. In der systemischen Sequenztherapie des HCC werden innerhalb der zugelassenen Indikationen die Kombination aus Atezolizumab (Monoklonaler Antikörper, der gegen den „programmed cell death 1 ligand 1” [PD-L1] gerichtet ist) und Bevacizumab (Angiogenesehemmer, der den „vascular endothelial growth factor” [VEGF] neutralisiert) sowie die Kombination aus den beiden Checkpoint-Inhibitoren Durvalumab („programmed death-ligand 1”- [PD-L1]-Inhibitor) und Tremelimumab („cytotoxic T-lymphocyte associated protein”- [CTLA-4] Inhibitor) gleichwertig empfohlen. Die Empfehlungen stützen sich auf Phase-3-Studien mit Wirksamkeitsnachweis. Die Zulassung von Atezolizumab plus Bevacizumab basiert auf der IMbrave150-Studie, die das Regime mit einer Sorafenib-Therapie verglich. Das Gesamtüberleben nach 12 Monaten betrug 67,2 % mit Atezolizumab plus Bevacizumab und 54,6 % mit Sorafenib. Die mediane progressionsfreie Überlebenszeit betrug 6,8 Monate bzw. 4,3 Monate in den jeweiligen Gruppen (Hazard Ratio [HR] 0,59). Die Kombination aus Durvalumab und Tremelimumab wird auch als STRIDE-Regime (Abkürzung für das englische „single tremelimumab regular interval durvalumab”) bezeichnet. Grundlage für die Zulassung von STRIDE waren die Daten aus der HIMALAYA-Studie. Die STRIDE-Behandlung verbesserte das Gesamtüberleben (englisch „overall survival”, OS) von Patienten mit fortgeschrittenem, nicht resezierbarem HCC im Vergleich zu Sorafenib signifikant. Das mediane OS, der primäre Endpunkt, betrug 16,4 Monate mit STRIDE im Vergleich zu 13,8 Monaten mit Sorafenib (HR 0,78), was eine 22%ige Reduktion des Sterberisikos mit der dualen Immuntherapie in der Erstlinie widerspiegelt. Bei Patienten mit Kontraindikationen für A+B und D+T soll eine Erstlinientherapie entweder mit Durvalumab als Monotherapie oder mit einem der beiden Tyrosinkinase-Inhibitoren Lenvatinib oder Sorafenib angeboten werden. Wenn unter der Erstlinientherapie mit Atezolizumab plus Bevacizumab oder STRIDEoder unter der Therapie mit Lenvatinib ein Progress auftritt, wird Sorafenib empfohlen. Bei Progress unter Sorafenib stehen als gleichwertige Optionen die Tyrosinkinaseinhibitoren Regorafenib und Cabozantinib sowie der VEGF-R2-Antikörper Ramucirumab zur Verfügung. Dabei kann Ramucirumab nur bei Patienten mit einem Alpha-Fetoprotein-Wert von ≥400 ng/ml eingesetzt werden. Falls das HCC ohne Fernmetastasen ursprünglich nicht als kurativ betrachtet wurde und unter einer Tumortherapie ein Ansprechen aufweist, sollte eine erneute Vorstellung im Tumorboard zur Diskussion eines sekundär kurativen Vorgehenserfolgen. Eine Immuntherapie in späteren Therapielinien mit einem Anti-PD-1-Antikörper kann bei HCC-Patienten erwogen werden, die immuntherapienaiv sind und eine erhaltene Leberfunktion im Child-Pugh-Stadium A aufweisen. Dies gilt insbesondere für Patienten mit Fernmetastasen oder lokal nicht kontrollierbaren Tumorlokalisationen, für die keine zugelassene Therapie mehr verfügbar ist. Für Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion gilt, dass eine Immuntherapie mit einem Anti PD-1-Antikörper bei Patienten mit einem Child-Pugh-Stadium B (bis 8 Punkte) erwogen werden kann. Alternativ kann gut selektionierten HCC-Patienten im Child-Pugh-Stadium B (bis 8 Punkte), mit Fernmetastasen oder einer Tumorlokalisation, die lokoregionär nicht kontrolliert oder reseziert werden kann und mit einem ECOG-Status von 0–1, eine Systemtherapie mit Sorafenib oder Lenvatinibangeboten werden. Nach Veröffentlichung der Leitlinie erfolgte zudem im Oktober 2023 durch die Europäische Arzneimittel-Agentur die Zulassung für die Monotherapie mit Durvalumab in Erstlinie bei Erwachsenen mit fortgeschrittenem oder nicht resezierbarem HCC.
Therapiealgorithmus bei BTC
Auch Patienten mit BTC sollen in einem interdisziplinären Tumorboard vorgestellt werden. Die therapeutische Strategie bei BTC richtet sich nach ursprünglicher Tumorlokalisation und Stadium der Erkrankung. Bei fortgeschrittenen und metastasierten BTC ist die Wahl der systemischen Zweitlinientherapie abhängig vom molekularen Profil. Bei Patienten mit fortgeschrittenem BTC verbessert die Erstlinienkombinationstherapie mit Durvalumab plus Gemcitabin/Cisplatin (Gem-Cis) das Gesamtüberleben sowie das progressionsfreie Überleben.
Operative und interventionelle Therapie des BTC
Die Resektionsindikation für pBTC, dBTC oder iBTC besteht, wenn eine vollständige Resektion (R0-Resektion) als realistisch eingeschätzt wird. Die Resektion eines Gallenblasenkarzinoms sollte in Betracht gezogen werden, wenn klinisch keine Fernmetastasen vorhanden sind (cM0) und eine vollständige Resektion (R0-Resektion) durchführbar ist. Bei einem isolierten intrahepatischen Rezidiv eines BTC kann eine erneute Resektion in Erwägung gezogen werden, sofern eine R0-Resektion möglich ist.
Lebertransplantation bei BTC
Aktuell gilt das iBTC aufgrund frühzeitiger Tumorrezidive und ungünstiger Überlebensraten (5-Jahres-Überleben 35 bis 47 %) in den meisten Ländern als Kontraindikation für eine Lebertransplantation. Daher sollte eine Lebertransplantation bei iBTC außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden. Im Rahmen von Studien kann bei einem nicht resezierbaren, nicht metastasierten pBTC, das die Mayo-Kriterien erfüllt, eine Lebertransplantation in Betracht gezogen werden.
Interventionelle Therapieverfahren und Stereotaxie bei BTC
Generell ist die thermische Ablation bei einem iBTC bis zu einem Durchmesser von 3 cm möglich. Lokale Verfahren wie Radiofrequenzablation (RFA) oder Mikrowellenablation (MWA) können hierfür eingesetzt werden, wenn nach Beschluss des Tumorboards eine chirurgische Resektion nicht möglich ist. In fortgeschrittenen Fällen des iBTC ohne extrahepatischen Befall können nach Diskussion im Tumorboard intraarterielle Verfahren (TACE, TARE) verwendet werden, entweder allein oder zusätzlich zur Chemotherapie. Die SBRT kann in Erwägung gezogen werden, insbesondere bei Patienten mit oligometastasischen Progress oder singulären Tumoren.
Systemtherapie des BTC
Patienten, die eine chirurgische Tumorentfernung (R0- oder R1-Resektion) durchlaufen haben, sollten aufgrund des signifikanten Rezidivrisikos eine adjuvante Systemtherapie mit Capecitabin erhalten. Bei der Entscheidung für eine Chemotherapie müssen Faktoren wie der generelle Gesundheitszustand des Patienten,
bestehende Begleiterkrankungen, die individuellen Präferenzen des Patienten und die zu erwartende Toxizität der geplanten Behandlungsschemata berücksichtigt werden. Im Kontext der palliativen Systemtherapie wird in der Erstlinie die Verabreichung einer Kombination aus Durvalumab oder Pembrolizumab (Anti- PD-1-Antikörper), Gemcitabin und Cisplatin empfohlen. Die placebokontrollierte TOPAZ-1-Studie zeigt eine Überlegenheit im primären Endpunkt OS von Durvalumab (Anti-PD-L1-Antikörper) plus Gemcitabin plus Cisplatin (D plus Gem/Cis) im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie mit Gemcitabin plus Cisplatin (Gem/Cis). Die Studie schloss Patienten mit intra- und extrahepatischen BTC, einschließlich Gallenblasenkarzinomen und ECOG (Eastern Cooperative Oncology Group)-Status von 0 bis 1, ein. Papillenkarzinome waren ausgeschlossen. Das mediane OS war moderat besser (12,8 vs. 11,5 Monate), jedoch zeigen die Überlebenskurven in der Kaplan-Meier-Analyse eine zunehmende Trennung. Die Überlebensraten nach zwölf Monaten lagen bei 54 % vs. 48 %, und nach 24 Monaten bei 25 % vs. 10 % zugunsten der Kombination mit Durvalumab. Die Ansprechrate im D plus Gem/Cis-Arm betrug 27 %, während sie bei Gem/Cis 19 % betrug. Nach einem zusätzlichen Follow-up von 6,5 Monaten veränderte sich die HR von 0,80 auf 0,76, was darauf hinweist, dass das Sterberisiko im Vergleich zur früheren Standardtherapie um 24 % weiter reduziert wurde. Gleichzeitig blieb die Überlebensrate mit Durvalumab plus Gem/Cis weiterhin doppelt so hoch im Vergleich zu Placebo plus Gem/Cis (24 % vs. 12 %). Die Zugabe des PD-L1-Antikörpers Durvalumab führte auch bei den sekundären Endpunkten zu positiven Ergebnissen: Das Risiko für Progression oder Tod („progression-free survival”, PFS) war signifikant um 25 % reduziert (HR 0,75; p = 0,001), und die PFS-Rate war mehr als doppelt so hoch im Vergleich zu Placebo plus Gem-Cis (16 % vs. 7 %). Darüber hinaus zeigten die Patienten unter der Immunchemotherapiekombination eine schnellere und längere Ansprechdauer im Vergleich zum Kontrollarm. Das im August 2024 veröffentlichte Update der TOPAZ-1-Studie präsentierte die Daten nach 36 Monaten. Zum Zeitpunkt der aktualisierten Datenerhebung waren 248 (73 %) Teilnehmer in der Gruppe mit Durvalumab plus Gem/Cis und 279 (81 %) Teilnehmer in der Placebo-plus-Gem/Cis-Gruppe verstorben (medianes OS 12,9 Monate vs. 11,3 Monate; HR 0,76). Die 24-Monats-OS-Raten betrugen 23,6 % für Durvalumab plus Gem/Cis und 11,5 % für Placebo plus Gem/Cis. Etwa sechs Monate nach Beginn der Behandlung zeigten die Überlebenskurven eine Trennung für das OS. Die HR lag vor dem 6-Monats-Zeitpunkt bei 0,91 und danach bei 0,71. Die Kombinationstherapie aus Gemcitabin plus Cisplatin, ergänzt durch Pembrolizumab (Gem/Cis plus P), zeigte ebenfalls eine verbesserte Wirksamkeit im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie in der Keynote-966-Studie. Diese Studie erreichte ihren primären Endpunkt mit einer Steigerung des medianen Gesamtüberlebens von 12,7 Monaten bei Gem/Cis + P im Vergleich zu 10,9 Monaten bei Gem/Cis. Das geschätzte Überleben für die Gruppe, die Pembrolizumab erhielt, betrug nach 12 Monaten 52 % und nach 24 Monaten 25 %, im Vergleich zu 44 % nach 12 Monaten und 18 % nach 24 Monaten in der Gem/Cis-Gruppe (HR 0,83, p = 0,0034). In einer palliativen Situation bei Patienten mit einem ECOG-Status von 0 bis 1 wird empfohlen, eine molekulare Charakterisierung des Tumors vorzunehmen und eine Vorstellung im Rahmen eines interdisziplinären/molekularen Tumorboards zu veranlassen. Als systemische Zweitlinientherapie kann bei Patienten mit einem ECOG-Status von 0 bis 1 eine Behandlung mit FOLFOX (Oxaliplatin, Folinsäure, 5-Fluoruracil) erwogen werden. Nach Versagen mindestens einer vorherigen Therapieoption kann eine Therapie mit Irinotecan diskutiert werden.
Molekulare Heterogenität des BTC
In den letzten Jahren hat sich das iBTC zum „Paradebeispiel” für die Anwendung der Präzisionsonkologie bei gastrointestinalen Tumoren entwickelt. Dieser Ansatz soll das Potenzial molekular zielgerichteter Therapien nutzen. Es wird empfohlen, frühzeitig molekulare Tests durchzuführen, um bereits für die zweite Therapielinie vorbereitet zu sein und die verfügbaren Optionen zu kennen. Ab der zweiten Therapielinie stehen mehrere zielgerichtete Therapiemöglichkeiten zur Verfügung, weshalb eine Konsultation im molekularen Tumorboard empfohlen wird. Die parallele Sequenzierung multipler Gene mittels eines fokussierten „next-generation sequencing” (NGS) wird gegenüber einzelnen Gentests bevorzugt. NGS kann an sowohl formalinfixiertem als auch in Paraffin eingebettetem Tumorgewebe durchgeführt werden und eignet sich v. a. für Gewebebiopsien. Alternativ können liquid biopsies unter Verwendung von zirkulierender zellfreier DNA in Betracht gezogen werden, falls solides Tumorgewebe nicht ausreichend verfügbar ist. Derzeit sollte das Genpanel die entsprechenden kodierenden DNA-Regionen (Zielregionen) von Isocitratdehydrogenase 1 (IDH1), humanem epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER2)/neu [v-erb-b2 avian erythroblastic leukaemia viral oncogene homologue 2 (ERBB2)] und BRAF (B-Raf Proto-Oncogene) umfassen, um Hotspot-Mutationen zu erfassen. Angesichts des sich rasch entwickelnden Spektrums von therapeutischen Targets und prädiktiven Biomarkern könnte jedoch bald ein Bedarf für größere Panels entstehen. Für Tests basierend auf Gewebe sollten Genfusionen, die die Fibroblasten-Wachstumsfaktorrezeptor-2-(FGFR2-) und neurotrophen Tyrosinrezeptorkinase-(NTRK-)Gene betreffen, vorzugsweise auf RNA-Ebene untersucht werden, die Fusionstranskripte bekannter und unbekannter Fusionspartner identifizieren kann. Mehrere neuartige Wirkstoffe, die gezielt auf das individuelle molekulare Profil abgestimmt sind, befinden sich derzeit in der klinischen Erprobung. Es ist zu erwarten, dass hierzu in naher Zukunft zahlreiche weitere klinische Studien durchgeführt werden.
Fazit
- Therapieentscheidungen für HCC und BTC sollten in einem interdisziplinären Tumorboard getroffen werden.
- Bei der Entscheidung für eine Chemotherapie sind der Gesundheitszustand, Begleiterkrankungen, Patientenpräferenzen und die erwartete Toxizität zu berücksichtigen.
- Systemische Therapieoptionen sind verfügbar für HCC-Patienten mit erhaltener Leberfunktion (Child-Pugh A und B), die Fernmetastasen oder einen inoperablen Tumor aufweisen.
- Die empfohlene Erstlinientherapie für HCC umfasst gleichwertig die Kombinationen von Atezolizumab plus Bevacizumab oder Durvalumab plus Tremelimumab.
- Patienten mit fortgeschrittenem HCC, die nicht auf eine Therapie mit Atezolizumab plus Bevacizumab oder Durvalumab plus Tremelimumab (STRIDE) ansprechen, diese nicht vertragen oder bei denen Kontraindikationen vorliegen, sollen alternativ mit einer Monotherapie von Durvalumab oder einem zugelassenen Tyrosinkinaseinhibitor behandelt werden.
- Nach Progress oder bei Unverträglichkeit der Erstlinientherapie erfolgt primär eine Therapie mit Sorafenib, in dritter Linie stehen Regorafenib, Cabozantinib oder Ramucirumab zur Verfügung.
- Die Indikation für eine Resektion von pBTC, dBTC oder iBTC besteht, wenn eine vollständige Resektion (R0 Resektion) als realistisch eingeschätzt wird
- Patienten mit BTC, die eine chirurgische Tumorentfernung (R0- oder R1-Resektion) durchlaufen haben, sollten aufgrund des signifikanten Rezidivrisikos eine adjuvante Systemtherapie mit Capecitabin erhalten
- In den palliativen Situationen sollten Patienten mit BTC und ECOG 0 bis 1 eine molekulare Charakterisierung des Tumors erhalten und im interdisziplinären/molekularen Tumorboard vorgestellt werden.
- In der palliativen Systemtherapie des BTC zeigen gemäß TOPAZ-1-Studie Durvalumab plus Gemcitabin plus Cisplatin in der Erstlinie eine Überlegenheit im Gesamtüberleben gegenüber Gemcitabin plus Cisplatin.
- Die Kombinationstherapie aus Gemcitabin plus Cisplatin, ergänzt durch den anti-PD-1-Antikörper Pembrolizumab, zeigt eine verbesserte Wirksamkeit im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie bei Patienten mit primär nicht kurativ behandelbarem BTC.
Bildnachweis
greenbutterfly – stock.adobe.com