Chronische Herzinsuffizienz interaktiv – 15 Jahre im Leben eines Patienten

Die Prävalenz der Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion (HFrEF) steigt, und die Erkrankung ist nach wie vor mit einer höheren Mortalität assoziiert als eine ganze Reihe bösartiger Tumoren. Arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie und Diabetes mellitus sind seit Jahrzehnten als wichtige Begleitfaktoren bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bekannt und stehen somit auch oftmals am Anfang der Entwicklung einer Herzinsuffizienz. Die Maßnahmen zur Primär- und Sekundärprävention können nur wirksam sein, wenn sie konsequent umgesetzt werden. Wird bei den Patienten allerdings erstmals eine deutlich reduzierte linksventrikuläre Ejektionsfraktion festgestellt, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit.

Trotz der Einführung hochwirksamer Medikamente und Devices ist in den fünf Jahren nach der Erstdiagnose der betroffenen Patienten mit einer zunehmenden Zahl stationär behandlungspflichtiger Dekompensationen zu rechnen. Es gilt, diesen Drehtüreffekt von mehr oder weniger kurzfristig aufeinanderfolgenden Klinikeinweisungen zu stoppen.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709123061870011
Zeitraum 01.06.2023 - 31.05.2024
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 4 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. Dr. Stephan von Haehling
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Fachartikel
Lernmaterial Fachartikel, Lernerfolgskontrolle (pdf); Bearbeitungsdauer: 90 Minuten
Fortbildungspartner Bayer Vital GmbH
Bewertung 4.4 (813)

Einführung

Herzinsuffizienz beschreibt den Zustand, in dem das Herz nicht in der Lage ist, den Körper unter Ruhe- oder Belastungsbedingungen mit ausreichend Blut und Sauerstoff zu versorgen, um einen stabilen Stoffwechsel aufrechtzuerhalten. Ursprünglich wurde die Erkrankung nur durch eine unzureichende Herzpumpfunktion definiert, doch mittlerweile sind auch neurohumorale und metabolische Faktoren als weitere Komponenten hinzugekommen. Der Körper versucht durch begleitende Veränderungen wie der Stimulation des sympathischen Nervensystems, eine Funktionsstörung von Herz, Skelettmuskulatur und Niere zu kompensieren. Eine Herzinsuffizienz wird diagnostiziert, wenn typische Symptome wie Dyspnoe, Müdigkeit und/oder Flüssigkeitsansammlungen aufgrund einer kardialen Funktionsstörung auftreten. Wenn eine objektive kardiale Dysfunktion vorliegt, jedoch keine begleitende Symptomatik, spricht man von einer asymptomatischen linksventrikulären Dysfunktion. Die Herzinsuffizienz ist die häufigste Aufnahmediagnose in der Klinik, und die Prävalenz steigt auch trotz des medizinischen Fortschrittes weiter an. Ursachen und Risikofaktoren der Herzinsuffizienz sind seit Jahrzehnten bekannt, wirksame Maßnahmen der Primär- und Sekundärprävention sind etabliert. Auch die Behandlung der Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Ejektionsfraktion ≤40 % (HFrEF) hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte gemacht. Dennoch ist die Mortalität mit einem 5-Jahres-Überleben von nur 50 % ab dem Zeitpunkt der HFrEF-Erstdiagnose immer noch höher als bei einigen bösartigen Tumoren. Mehr als 70 % der Patienten mit Herzinsuffizienz haben Komorbiditäten, die einen negativen Einfluss auf die Mortalität haben. Obwohl evidenzbasierte Leitlinien klare Empfehlungen zur Therapie der HFrEF geben, lassen sich diese in der täglichen Praxis nicht in jedem Fall konsequent umsetzen, da die in den klinischen Studien eingesetzten Dosierungen der notwendigen Pharmakotherapien nicht toleriert werden. Je niedriger die durch Betablockade erreichte Herzfrequenz ist, desto besser ist die Prognose, aber je höher die Dosis des Betablockers, desto höher ist auch die Nebenwirkungsrate. Zwischen 50 und 78 % der Patienten bleiben untertherapiert und haben damit auch eine deutlich schlechtere Prognose. Die Fragestellung, ob die Kombination von mehreren Medikamenten in niedrigeren Dosierungen einer Verabreichung von wenigen Wirkstoffen in voller Dosis überlegen ist oder umgekehrt, ist aktuell Gegenstand der Diskussion. Nach wie vor gibt es im Rahmen der Therapie der Herzinsuffizienz keinen etablierten Zielparameter, wie er zum Beispiel mit dem HbA1c-Wert beim Diabetes mellitus existiert. Die chronischen HFrEF-Patienten, die nach der ersten Dekompensation wieder aus der Klinik entlassen werden, haben ein besonders hohes Risiko, schon kurze Zeit später erneut zu dekompensieren.

Der Patient im Jahr 2002

Der Patient ist 66 Jahre alt. Mit einem Gewicht von 104 kg bei einer Größe von 1,80 m erfüllt er mit einem Body-Mass-Index von 32 kg/m2 das Adipositaskriterium. Sein Blutdruck beträgt aktuell 152/93 mmHg; die von zu Hause mitgebrachten Gelegenheitsmessungen in Ruhe liegen immer zwischen 140 und 150 mmHg bei einer normalen Herzfrequenz von aktuell 82/min. Der Patient hat eine arterielle Hypertonie, eine Adipositas, und im Rahmen des Check-ups ist ein LDL-Cholesterin von 160 mg/dl, also etwa 4 mmol/l, erwähnenswert. Der Patient ist Nichtraucher und hat keinen Diabetes. Eine koronare Herzkrankheit (KHK) mit Anginapectoris-Anfällen in der Anamnese ist bekannt und wird bereits mit einem Nitrat (ISDN 40 mg) behandelt. Gemäß den damals von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie herausgegebenen Empfehlungen zur umfassenden Risikoverringerung für Patienten mit KHK, Gefäßerkrankungen und Diabetes wird der Patient zusätzlich auf 5 mg Ramipril und 40 mg Simvastatin pro Tag eingestellt und vom betreuenden Arzt über die notwendigen Lebensstiländerungen beraten.

Prävalenz und Ursachen der Herzinsuffizienz

Die arterielle Hypertonie und die KHK sind die häufigsten Risikofaktoren für eine Herzinsuffizienz: der Hypertonus insbesondere als Ursache für die Herzinsuffizienz mit einer erhaltenen Pumpfunktion (HFpEF) und die KHK nicht nur in Form des Myokardinfarktes, sondern auch in der chronischen Ausprägung. Deshalb sind natürlich auch die Risikofaktoren für KHK, insbesondere Diabetes, Fettstoffwechselstörung und Niereninsuffizienz, wichtige Prädiktoren für die chronische Herzinsuffizienz. Die Prävalenz der chronischen Herzinsuffizienz nimmt deutlich zu. Jede erfolgreiche kathetergestützte Implantation einer Aortenklappe (TAVI), jede gut operierte Mitralklappe trägt zur Stabilisierung der Patienten bei. Die Herzinsuffizienz bleibt die häufigste Einweisungsdiagnose in das Krankenhaus in Deutschland, und es wird erwartet, dass die Zahlen weiter zunehmen. Das Lebenszeitrisiko eines 45 Jahre alten Mannes in Deutschland, an einer chronischen Herzinsuffizienz zu erkranken, beträgt tatsächlich 25 % und bleibt über die weitere Lebensspanne unverändert. Die Herzinsuffizienz ist bei Männern und Frauen eine altersabhänge Erkrankung, deren Prävalenz etwa im Alter von 70 Jahren die 10 %-Schwelle und im Alter von 80 Jahren die 20 %-Schwelle überschreitet. Sie ist deshalb die häufigste Krankenhausdiagnose mit weiter steigenden Prävalenzraten. Was können wir tun, um das zu verhindern? Die Faktoren Hypertonus, LDL-Cholesterin, Diabetes, Rauchen und Bewegungsmangel stehen bei der Prävention an erster Stelle.

Primärprävention bei kardiovaskulären Risikopatienten

Der Hypertonus ist die wichtigste Ursache für die Herzinsuffizienz. Umgekehrt gibt es sehr gute Daten, die zeigen, dass durch die Blutdruckkontrolle auch die Prävalenzrate und Symptomatik verbessert werden können. Die praktische Relevanz zeigt sich an den Ergebnissen der SPRINT-Studie. Hier wurde bei insgesamt 2636 Patienten, deren mittleres Alter bei 80 Jahren lag, eine intensive Blutdruckeinstellung mit einer Standardtherapie verglichen. Die intensive Blutdruckkontrolle senkte den Endpunkt Entstehung der Herzinsuffizienz um 38 % und die Gesamtsterblichkeit um 33 %. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass es bei einer Population mit einem so hohen Durchschnittsalter nicht einfach ist, die Sterblichkeit zu senken. Die aktuellen Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie empfehlen bereits in der ersten Stufe die Zweifachkombination in einer Tablette, um die Einnahmetreue zu verbessern: ACE-Hemmer oder AT1-Antagonist plus Calciumantagonist oder Diuretikum. In der zweiten Stufe wird die Kombination dieser drei Prinzipien empfohlen, und in der dritten Stufe kommt das Spironolacton hinzu. Aus heutiger Sicht ist die Normalisierung des erhöhten Blutdruckes die effektivste präventive Maßnahme zur Verhinderung einer Herzinsuffizienz. Mit der Senkung des LDL-Cholesterins kann die Atherosklerose kausal gehemmt werden, was wiederum zu einer Senkung der Inzidenz der Herzinsuffizienz beitragen kann. Die West-of-Scotland-Studie war eine der ersten Primärpräventionsstudien mit einem Statin, damals dem Pravastatin. Die Daten der Langzeitbeobachtung dieser Studie mit Patienten, die noch kein Ereignis hatten, zeigen eindrucksvoll, dass die Kurven mit den Ereignisraten auch nach dem Randomisierungszeitraum kontinuierlich weiter auseinandergehen. Die Patienten profitieren also bis zum 16. Jahr nach Beginn der Randomisierung von der Statintherapie und gewinnen vier ereignisfreie Jahre, wobei die chronische Herzinsuffizienz ein ganz wesentlicher Endpunkt ist. Entscheidend dabei ist, dass durch die lipidsenkende Therapie der erste Myokardinfarkt, der zweite Myokardinfarkt usw. verhindert und dadurch sekundär das Entstehen einer Herzinsuffizienz günstig beeinflusst werden konnten. In der Tat ist die LDL-Senkung in der Primärprävention eine wirksame Methode, um chronische Herzinsuffizienz zu verhindern. Ein weiterer wesentlicher Risikofaktor für die Entstehung einer Herzinsuffizienz ist der Diabetes mellitus. Erstens haben Patienten mit einem Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Herzinsuffizienzrisiko: Bis zu 40 % aller Patienten mit Diabetes entwickeln eine chronische Herzinsuffizienz. Zweitens ist die Herzinsuffizienz sehr häufig ein initiales Manifestationssymptom des Diabetes. Drittens haben insbesondere jüngere Patienten mit Diabetes ein sehr hohes Herzinsuffizienzrisiko. Und wenn sich die Herzinsuffizienz manifestiert hat – und das gilt sowohl für die systolische als auch für die diastolische Herzinsuffizienz –, ist die Prognose besonders schlecht. Das liegt an den spezifischen histologischen Veränderungen, die im Myokard von Patienten mit Diabetes detektiert werden können, wie Hypertrophie, Fibrose und diabetische Mikroangiopathie. Maßnahmen zu moderatem Lebensstil können gleichfalls nicht genug betont werden. Ein gesunder Lebensstil ist die Basis der Therapie, bevor Medikamente zum Einsatz kommen, und hier sind vor allem zwei Punkte relevant: Der eine Punkt ist die körperliche Bewegung. Eine große longitudinale Studie hat gezeigt, dass der Erhalt der körperlichen Fitness für das Überleben eine größere Bedeutung hat als das Körpergewicht, und das gilt insbesondere auch für die Herzinsuffizienz. Die Normalisierung des Körpergewichtes steht allzu oft im Mittelpunkt der Gespräche mit übergewichtigen Patienten. Die kurze Zeit, die für das Gespräch mit den Patienten zur Verfügung steht, sollte eher dazu genutzt werden, um sie zu mehr körperlicher Bewegung zu motivieren. Der zweite Punkt ist das Rauchen. Durch einen Nikotinstopp können viele Lebensjahre gewonnen werden.

Individuelles Risiko des Patienten im Jahr 2002

Vor der Festlegung der leitliniengerechten Therapie steht die Einstufung des individuellen Risikos des Patienten. Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) hat dazu in ihren Leitlinien von 2016 ein Scoresystem veröffentlicht. Wenn dieses System auf den oben genannten Patienten im Jahr 2002 angewendet wird, ergibt sich für ihn ein individuelles 10-Jahres-Risiko für eine tödliche kardiovaskuläre Erkrankung von 5 bis 9 %. Die sich daraus ableitenden Therapieziele sind mehr Bewegung, Gewichtskontrolle, die Senkung des Blutdruckes auf den 2002 geltenden Zielwert <140/90 mmHg und die Senkung des LDL-C auf die damals empfohlene Konzentration von <100 mg/dl. Gegen die Verordnung von täglich 5 mg Ramipril und 40 mg Simvastatin ist aus heutiger Sicht demnach nichts einzuwenden.

Gründe für die Verzögerung der optimalen Therapie

Ob der Patient in der täglichen Praxis seine leitliniengerechten Medikamente rechtzeitig verordnet bekommt und diese dann auch regelmäßig einnimmt, ist eine besondere Herausforderung. Die Gründe für die Verzögerung einer optimalen Therapie sind vielfältig. Die Überlebensvorteile einer optimalen Therapie und das Risiko bei nur leicht symptomatischen Patienten werden von Ärzten oft unterschätzt. Viele Patienten haben Angst vor möglichen Nebenwirkungen und wissen einfach zu wenig über ihre Erkrankung, was die Adhärenz zu einer wirksamen Therapie erheblich belastet.

Der Patient im Jahr 2007

Der Patient stellte sich mit Brustschmerzen in der Notaufnahme vor, damals 71 Jahre alt und übergewichtig mit einem Body-Mass-Index von 30,9 kg/m2. Es wurde die Diagnose eines akuten ST-Streckenhebungsinfarktes, also ein STEMI, gestellt. Der Patient wurde unmittelbar herzkathetert, und die Erstdiagnose einer koronaren 3-Gefäß-Erkrankung mit einem Verschluss des Ramus interventricularis anterior (RIVA) gestellt. Es folgte eine Perkutane transluminale Angioplastie mit Stentimplantation, was auch gut gelang. Am Folgetag wurde eine weitere Evaluation durchgeführt; hier zeigte sich eine 70%ige Stenose der Hauptstammbifurkation, eine ausgeprägte Kalzifizierung, und es wurde eine dringende Bypassindikation gestellt, die dann auch bei diesem Aufenthalt noch in Form einer mehrfachen venösen Bypass-Graft-Operation sowie einer linken Arteria mammaria interna auf RIVA, also einer arteriellen Bypassoperation, durchgeführt wurde. Die Entlassungsmedikation bestand leitliniengerecht aus einer dualen Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel und einer Fortführung der antihypertensiven Behandlung mit dem ACE-Hemmer Ramipril und dem Betablocker Bisoprolol. Die Therapie mit Simvastatin und ISDN wurde ebenfalls fortgesetzt. Der Patient erholte sich gut und hatte zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf das Bestehen einer Herzinsuffizienz.

Behandlung des Myokardinfarktes (STEMI) und Sekundärprävention

Wichtigste Maßnahme bei der Behandlung eines Myokardinfarktes ist die möglichst frühzeitige Reperfusionstherapie, um den Verlust an kontraktionsfähigem Muskelgewebe und das Risiko für die Entwicklung einer Herzinsuffizienz zu minimieren. In den Leitlinien gelten 120 Minuten als kritische Grenze. Das heißt, wenn das Herzkatheterlabor innerhalb von 120 Minuten nach Beginn der Beschwerden des Patienten erreicht werden kann, kann primär eine koronare Intervention mittels perkutaner Koronarintervention durchgeführt werden. Zusätzlich gibt es immer noch Fibrinolyse-Strategien, die in Deutschland aber seltener geworden sind, weil mehr Patienten mit den Rettungsdiensten zeitnah in die Klinik gebracht werden können. Es besteht aber immer noch das Problem, das die betroffenen Patienten zu lange warten, bis der Notarzt gerufen wird. Der Stellenwert der Statine in der Primär- und Sekundärprävention ist unbestritten. Durch die Verdoppelung der Dosis eines Statins kann eine weitere Reduktion des LDL-Cholesterins um 7 % erreicht werden, und die cholesterinsenkende Wirkstärke der verschiedenen Statine ist unterschiedlich. Um den aktuellen Zielbereich für das LDL-C von unter 70 mg/dl in der Praxis zu erreichen, sind Dosisanpassungen, Wechsel des Statins und die Kombination mit weiteren cholesterinsenkenden Wirkstoffen, wie zum Beispiel Ezetimib, möglich und sinnvoll. Der Einsatz von Betablockern im Rahmen der Sekundärprävention ist dann sinnvoll, wenn die Patienten ein sehr großes Risiko haben, im weiteren Krankheitsverlauf eine Herzinsuffizienz zu entwickeln. Diese Voraussetzung war bei dem o. g. Patienten nach STEMI und Bypass-OP gegeben. Betablocker reduzieren die Mortalität bei Patienten mit Herzinsuffizienz. Registerdaten haben gezeigt, dass eine Plättchenhemmung mit Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel, Betablocker, eine Inhibition des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) mit ACE-Hemmern oder Sartanen und Statinen zur Sekundärprävention nach einem Myokardinfarkt wirksam sind. Das Durchschnittsalter von Patienten mit STEMI und NSTEMI (Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt) liegt bei etwa 60 Jahren. Begleiterkrankungen, die das Risiko der Patienten erhöhen, wie Bluthochdruck, Diabetes oder weitere Gefäßerkrankungen, wie eben die periphere arterielle Verschlusskrankheit, aber auch die Niereninsuffizienz, spielen bei diesen Patienten durchaus eine Rolle. Je mehr Risikofaktoren ein Patient hat, desto höher ist das Risiko nach einem überstandenen Myokardinfarkt, weitere Ereignisse zu erleiden. Auch die Lokalisation des ersten Infarktes beeinflusst das weitere Risiko. Die kumulative Inzidenz für den ersten Reinfarkt innerhalb von acht Jahren ist am höchsten, wenn der erste Infarkt von einer neuen Läsion ausging. Bei Patienten nach einem überstandenen Myokardinfarkt ist deshalb eine Risikostratifizierung notwendig, die neben einer eingeschränkten Ejektionsfunktion von <45 % auch alle Komorbiditäten und den Nikotinkonsum berücksichtigt.

Der Patient im Jahr 2012

Der Patient stellte sich im April 2012 erneut mit akuten Anginapectoris-Beschwerden und auch Luftnot in der Notaufnahme vor. Er ist inzwischen 76 Jahre alt, sein Körpergewicht hat zumindest nicht zugenommen, er hatte einen initialen Body-Mass-Index von 32 kg/m2, der jetzt bei etwas über 29 kg/m2 liegt. Der Blutdruck ist kontrolliert in der Situation, das spricht trotz der Stresssituation für eine stabile Blutdruckeinstellung. Die Risikofaktoren sind gleich geblieben, von seinem ST-Hebungsinfarkt mit Angioplastie und Bypass-OP vor fünf Jahren hatte er sich gut erholt. Aktuell zeigen sich keine ST-Hebungen im EKG, aber ein positives Troponin. In der Herzkatheteruntersuchung sind zwar die linke Arteria mammaria als Bypass und ein Venenbypass auf den Diagonalast offen, allerdings sind der Posterolateralast der Seitwandarterie und der Anschluss der rechten Herzkranzarterie verschlossen. Von Bedeutung ist ins besondere, dass sich jetzt eine ischämische Kardiomyopathie zeigt mit einer deutlich eingeschränkten linksventrikulären Ejektionsfraktion von nur 15 bis 20 %, also eine hochgradige ischämische Kardiomyopathie, die die Kriterien für einen implantierbaren Cardioverter Defibrillator (ICD, Defi) erfüllt, der während seines Aufenthaltes implantiert wurde. Aufgrund der erneuten Herzinfarkt- und Angioplastiesituation erfolgte eine duale Plättchenhemmung mit ASS und Ticagrelor. Die Behandlung mit Simvastatin, Ramipril und Bisoprolol wurde fortgesetzt. ACE-Hemmer und Betablocker wurden zweimal täglich eingenommen, obwohl die Compliance dadurch eher belastet wird. Zusätzlich wurden Eplerenon als Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist und Torasemid gegeben. Wegen der bestehenden Symptomatik wurde die antianginöse Medikation zusätzlich zum Isosorbiddinitrat noch um Molsidomin und Ranolazin ergänzt.

Diagnostik der Herzinsuffizienz

Um die Wahrscheinlichkeit einer chronischen Herzinsuffizienz abschätzen zu können, kann der in den ESC-Guidelines von 2021 veröffentlichte Diagnosealgorithmus genutzt werden. Die Diagnose einer CHF erfordert das Vorhandensein von Symptomen und/oder klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz und einen objektiven Nachweis einer Herzfunktionsstörung. Typische Symptome sind Atemnot, Müdigkeit und Knöchelschwellungen. Symptome und klinische Zeichen allein sind nicht ausreichend sensitiv und spezifisch, um die Diagnose Herzinsuffizienz zuverlässig stellen zu können. Die diagnostische Abklärung beginnt mit der anamnestischen Erfassung von Vorerkrankungen wie einer koronaren Herzkrankheit, einer arteriellen Hypertonie, Exposition gegenüber kardiotoxischen Substanzen oder kardiotoxischer Strahlung, dem Gebrauch von Diuretika und Zuständen mit paroxysmaler nächtlicher Atemnot. Der nächste Schritt ist die körperliche Untersuchung. Hierbei ist insbesondere auf Zeichen für eine pulmonal venöse Stauung wie feuchte Rasselgeräusche in der Auskultation oder gestaute Halsvenen sowie auf Herzgeräusche und Knöchelödeme zu achten. Ein normales EKG ist bei Herzinsuffizienz eher untypisch. Häufig finden sich etwa Verbreiterungen des QRS-Komplexes und eine Drehung der Herzachse nach links. Zeichen für eine Myokardhypertrophie, einen abgelaufenen Myokardinfarkt, aber auch das Vorhofflimmern erhöhen die Vortestwahrscheinlichkeit für eine Herzinsuffizienz. Die Echokardiografie ist fester Bestandteil der Herzinsuffizienzdiagnostik, allerdings werden 40 % aller Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz in der Praxis von Allgemeinmedizinern betreut und wurden noch nie echokardigrafisch untersucht. Typische Zeichen einer schweren Herzinsuffizienz in der Thoraxröntgenaufnahme sind die sogenannten Kerley-B-Linien (Ausdruck einer pulmonal venösen Stauung) und gefüllte Lebervenen, wobei diese Zeichen eher in der akuten Dekompensation manifest werden. Die Bedeutung der konventionellen Röntgenaufnahme hat in der Kardiologie jedoch zunehmend an Bedeutung verloren. Die Einteilung der Herzinsuffizienz erfolgt gemäß den Empfehlungen der ESC: Auf der einen Seite steht die Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion ≤40 % (HFrEF) und auf der anderen Seite die Herzinsuffizienz mit der erhaltenen Pumpfunktion (HFpEF) mit einer linksventrikulären Ejektionsfunktion von ≥50 %. Für die HFpEF fehlt es an Evidenz für ein wirksames therapeutisches Vorgehen. Aus diesem Grund wurde die Gruppe der chronischen Herzinsuffizienz mit mittelgradig eingeschränkter Ejektionsfraktion zwischen 41 und 49 % (HFmEF) definiert, um auf diese Weise mit dieser Gruppe klinische Studien zu stimulieren, die das Evidenzspektrum erweitern könnten.

Therapie der Herzinsuffizienz

Für die Herzinsuffizienz mit EF ≤40 % gibt es eine gute Evidenz und hochwirksame Therapien. Die European Society of Cardiology (ESC) hat in ihren neuen Leitlinien von 2021 das bisherige Stufenschema der Herzinsuffizienztherapie aufgegeben und die medikamentöse Therapieeinstellung grundlegend überarbeitet. Für Patienten mit einer Herzinsuffizienz und einer reduzierten Ejektionsfraktion von 40 % oder weniger werden nun die vier Substanzgruppen ACE-Hemmer/Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren (ARNI), Betablocker, Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA) und SGLT2-Inhibitoren als gleichrangig empfohlen und sollen frühzeitig nach Diagnosestellung eingesetzt werden. Die Komplettierung der Substanzgruppen hat hierbei Priorität vor der Aufdosierung der einzelnen Substanzen. Die Leitlinien geben keine spezifische Empfehlung dazu, mit welcher Substanzgruppe zu beginnen ist. Stattdessen wird dies auf Basis des individuellen Patientenprofils und der Verträglichkeit der verschiedenen Präparate individualisiert entschieden. Eine frühzeitige Behandlung mit einem SGLT2-Inhibitor kann Patienten mit Niereninsuffizienz vermutlich besonders zugutekommen, während bei Patienten mit tachykardem Vorhofflimmern Betablocker eine besondere Bedeutung haben könnten. Selbstverständlich sind auch das Nebenwirkungsprofil und die Verträglichkeit der einzelnen Substanzgruppen bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Es gibt einige Aspekte zu beachten, wenn es um die einzelnen Substanzen geht: Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB) haben in der Erstlinientherapie keine Bedeutung mehr. Sie sollten erst dann eingesetzt werden, wenn ein ACE-Hemmer oder ARNI nicht vertragen wird, und dienen somit als gutes Ersatzpräparat. Die Diuretika sind für die Symptom- und Flüssigkeitskontrolle entscheidend, haben aber keine prognostische Wirkung. Für ACE-Hemmer oder AT1-Antagonisten, Betablocker und die Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten Spironolacton und Eplerenon liegen positive Studienergebnisse vor, die in den Leitlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Sind diese Wirkstoffe ausgeschöpft, kann bei weiter bestehender Symptomatik der ACE-Hemmer durch Sacubitril-Valsartan ersetzt werden. Die Leitlinien widmen sich auch Substanzgruppen mit niedrigeren Empfehlungsgraden. Eine neue Ergänzung ist Vericiguat, ein Stimulator der löslichen Guanylatzyklase, der mit einer IIb-Empfehlung für Patienten mit symptomatischer Herzinsuffizienz nach einer herzinsuffizienzbedingten Hospitalisierung empfohlen wird. Basierend auf der VICTORIA-Studie soll Vericiguat insbesondere das Risiko für erneute Dekompensationen reduzieren. Die Empfehlungen zum Einsatz von Ivabradin bleiben unverändert und sollten mit einer IIa-Empfehlung erwogen werden, wenn trotz Standardtherapie bei Patienten mit HFrEF (EF ≤35 %) im Sinusrhythmus weiterhin eine Herzfrequenz von 70/min oder mehr besteht. Die Leitlinie stützt die Integration von SGLT2-Inhibitoren in die Basisbehandlung der Herzinsuffizienz hauptsächlich auf die Ergebnisse der DAPA-HF- und EMPEROR-Reduced-Studien. Dapagliflozin in der DAPA-HF-Studie reduzierte den primären Endpunkt von kardiovaskulärer Mortalität und Herzinsuffizienzverschlechterung und senkte auch die Gesamtmortalität. In der EMPEROR-Reduced-Studie erreichte Empagliflozin ebenfalls den primären kombinierten Endpunkt, aber die kardiovaskuläre Mortalität wurde allein nicht signifikant reduziert. Eine Metaanalyse dieser beiden Studien zeigte jedoch keinen signifikanten Unterschied im Mortalitätsendpunkt, sodass die Leitlinien von einem Klasseneffekt ausgehen und keine Unterscheidung zwischen den beiden Substanzen in ihren Empfehlungen treffen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Ergebnisse bei Diabetikern und Nichtdiabetikern ähnlich sind und die Substanzen nun als Herzinsuffizienzmedikamente, unabhängig von Diabetes, betrachtet werden können. Die GFR-Grenzen für den Einsatz bei Niereninsuffizienz wurden aufgrund neuerer Studienergebnisse, auch in anderen Indikationsgebieten, immer weiter nach unten gesetzt. Hydralazin und Isosorbiddinitrat werden weiterhin bei Patienten mit schwarzer Hautfarbe und reduzierter EF bei anhaltenden Symptomen trotz Basistherapie empfohlen (IIa-Empfehlung) oder können allgemein in Betracht gezogen werden, wenn ACE-Hemmer, ARB oder ARNI nicht vertragen oder kontraindiziert sind (IIb-Empfehlung). Letztere Situation ist in Deutschland wahrscheinlich eine Seltenheit. Die Patientengruppe mit einer EF zwischen 41 und 49 % wird nun als „heart failure with mildly reduced ejection fraction” (HFmREF) bezeichnet, anstatt wie zuvor als „heart failure with midrange ejection fraction” (HFmrEF). Dies liegt daran, dass verschiedene Analysen gezeigt haben, dass diese Patientengruppe eher den HFrEF- als den HFpEF-Patienten ähnelt. Daher können ACE-Hemmer, ARB, MRA, Betablocker oder Sacubitril-Valsartan als Behandlung erwogen werden (IIb-Empfehlung). SGLT2-Inhibitoren werden in dieser Patientengruppe jedoch nicht empfohlen, da es zu diesem Zeitpunkt noch keine entsprechenden Studiendaten gibt. Die Therapieempfehlungen für Patienten mit Herzinsuffizienz und einer EF von 50 % oder mehr (als „erhaltene EF” bezeichnet) haben sich im Vergleich zu 2016 nicht geändert. Es wird lediglich empfohlen, zugrunde liegende Erkrankungen und Begleiterkrankungen zu behandeln und bei überwässerten Patienten Diuretika einzusetzen. Die Ergebnisse der EMPEROR-Preserved-Studie, die auf demselben Kongress vorgestellt wurden, konnten aufgrund zeitlicher Einschränkungen noch nicht in die Empfehlungen aufgenommen werden. Die Studie zeigte jedoch sicher, dass Empagliflozin das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz bei Patienten mit einer EF von mehr als 40 % reduzieren kann. Diese Daten flossen bereits in die später veröffentlichten amerikanischen Leitlinien ein. Inzwischen wurde auch die DELIVER-Studie mit Dapagliflozin veröffentlicht, die einen vergleichbaren Effekt für einen zweiten Vertreter der SGLT2-Inhibitoren zeigte. Die Empfehlungen für die prophylaktische Implantation eines ICD bei Patienten mit HFrEF und ischämischer Kardiomyopathie bleiben unverändert (Empfehlungsgrad Ia), wenn die LV-EF trotz dreimonatiger medikamentöser Therapie ≤35 % beträgt. Für Patienten mit NICM (Nicht ischämische Kardiomyopathie; engl. non-ischaemic cardiomyopathy) wurde die ICD-Therapie jedoch von einer Klasse-I- auf eine Klasse-IIa-Empfehlung herabgestuft, da die DANISH-Studie keinen signifikanten Nutzen für diese Patienten zeigte. Es ist jedoch zu beachten, dass NICM eine heterogene Erkrankung ist und bestimmte Subgruppen ein höheres Risiko für einen plötzlichen Herztod haben. Es gibt Evidenz dafür, dass rechtsventrikuläre Stimulation bei Patienten mit Bradykardien, die eine Schrittmacherimplantation benötigen, die systolische LV-Funktion beeinträchtigen und langfristig zu Herzinsuffizienz führen kann. Daher wurde die CRT-Indikation gestärkt: Bei Patienten mit HFrEF, die eine häufige ventrikuläre Stimulation benötigen, sollte eine CRT anstelle eines Standardschrittmachers implantiert werden. Wenn Patienten mit LV-EF ≤35 %, einem konventionellen Schrittmacher oder ICD und einem signifikanten rechtsventrikulären Stimulationsanteil trotz optimaler medikamentöser Therapie eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz aufweisen, sollte ein „Upgrade” auf CRT erwogen werden (Empfehlung Grad IIa, früher IIb). Eine Klasse-I-Empfehlung für CRT besteht nur noch für Patienten im Sinusrhythmus und breiter Linksschenkelblockmorphologie von ≥150 ms. Die Leitlinien enthalten auch Klasse-III-Empfehlungen, welche Maßnahmen bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz mit eingeschränkter Ejektionsfraktion zu vermeiden sind. Dazu zählen Sulfonylharnstoffe, Glitazone und nicht steroidale Antiphlogistika, allen voran die COX-2-Inhibitoren, die gerade bei älteren Patienten mit rheumatischen Beschwerden gern eingesetzt werden. Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ sind zu vermeiden, ebenso wie eine Kombination aus ACE-Hemmern und AT1-Rezeptorantagonisten. Trotz aller genannten evidenzbasierten Maßnahmen bleibt das Grundproblem bei diesem schwer kranken Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz bestehen, dass die Verlaufskurve aus Herzfunktion und Lebensqualität stetig sinkt. Sie ist trotz einer leitliniengerechten Therapie immer wieder von Einbrüchen gekennzeichnet; und obwohl die Patienten aus diesen Dekompensationen im Laufe der stationären Aufenthalte herausgeholt werden können, ist der Gesamtzustand der Patienten insbesondere im Hinblick auf die kardiale Funktion bei der Entlassung schlechter als bei der Aufnahme. Hier ist ein großer Bedarf für neue und weiterführende therapeutische Strategien.

Der Patient im Jahr 2014

Der Patient kommt im Juli 2014 wegen einer kardialen Dekompensation erneut in die Notaufnahme. Er hat eine Herzinsuffizienz, und die Pumpfunktion ist schlecht. Inzwischen ist der Patient 79 Jahre alt, er ist weiterhin übergewichtig mit einem Body-Mass-Index von 28, und die linksventrikuläre Ejektionsfraktion beträgt 15 %. Arterielle Hypertonie und Adipositas sind bekannt, und er hat zwei Infarkte in der Vorgeschichte. Eine primärprophylaktische ICD-Implantation ist erfolgt, und im Rahmen einer Studie ist ein Vagus-Stimulator eingesetzt worden. Der BNP-Wert ist mit über 700 ng/l stark erhöht. Die Nierenfunktion ist mit einer eGFR von 40 ml/min deutlich eingeschränkt und steht bei den weiteren therapeutischen Überlegungen im Vordergrund.

Entlassungs- und Nachsorgeempfehlungen nach Hospitalisation

Eine unzureichende Rekompensation zum Zeitpunkt der Entlassung ist mit einem hohen Risiko für Krankenhausaufenthalte und Tod verbunden. Deshalb sollten Patienten vollständig rekompensiert und mit Diuretika entlassen werden, die während ihres stationären Aufenthaltes optimiert wurde (Klasse-I-Empfehlung). Die Herzinsuffizienztherapie sollte während des Krankenhausaufenthaltes begonnen und optimiert werden. Ein bis zwei Wochen nach Entlassung sollten die Patienten erneut ambulant untersucht werden (Klasse-I-Empfehlung). Dabei sollten Symptome, Volumenstatus, Vitalparameter wie Blutdruck und Herzfrequenz sowie Laborwerte wie Elektrolyte und Nierenfunktion erfasst werden. Die Herzinsuffizienztherapie sollte weiter optimiert werden. Retrospektive Analysen zeigen, dass eine ambulante Nachuntersuchung die Krankenhauseinweisungen reduzieren kann. Bislang wurden jedoch keine prospektiven randomisierten Studien zu diesem Thema durchgeführt.

Der Patient in den Jahren 2016 und 2017

Im Alter von 81 Jahren stellte sich der Patient im September 2016 wieder in der Notaufnahme unserer Klinik vor. Inzwischen lag der Body-Mass-Index des Patienten bei 22 kg/m2. Der deutliche Gewichtsverlust kennzeichnet eine katabole Stoffwechsellage, die durch die zunehmende Herzinsuffizienz bedingt ist. Noch vor einigen Jahren hatte der Patient einen Body-Mass-Index von 32 kg/m2, und der aktuelle Befund spricht dafür, dass er eine kardiale Kachexie entwickelt hat. Der Patient berichtet über Luftnot bei stärkerer Anstrengung, das NYHA- Stadium liegt an der Grenze zwischen II und II. Beinödeme treten immer mal wieder auf, der Blutdruck ist stabil, die Ejektionsfraktion ist mit 10 bis 15 % hochgradig eingeschränkt. Das NT-proBNP liegt mit 6000 ng/l im vierstelligen Bereich und ist damit stark erhöht. Die Nierenfunktion hat sich weiter verschlechtert, das Kreatinin liegt bei 1,95 mg/dl, die eGFR bei 33 ml/min. Der Patient ist damit nach Kidney Disease Improving Global Outcomes im Stadium 3 der Niereninsuffizienz. Zusätzlich liegt mit einer Transferrinsättigung unter 20 % ein Eisenmangel vor, der seine Symptomatik zusätzlich verschlechtert. Der Patient nimmt aktuell ASS, Ramipril, Bisoprolol – hier wäre sicherlich eine Umstellung auf Sacubitril-Valsartan sinnvoll –, Simvastatin, Torasemid und Amiodaron ein. Inzwischen wurde eine COPD diagnostiziert, sodass er noch zwei Inhaler hat. Bereits neun Monate später, im Juni 2017, kam der Patient erneut in die Ambulanz. Der Body-Mass-Index ist einigermaßen stabil um die 22/23 kg/m2, die EF weiterhin 10 bis 15 %, die Symptomatik ein wenig gebessert. Inzwischen nutzt er wegen einer gemischtförmigen Schlafapnoe ein Heim-CPAP-Gerät, von dem der Patient symptomatisch ein wenig profitierte. Das Labor zeigte auch eine leichte Verbesserung des NT-proBNP in Form einer 20%igen Abnahme. Die Nierenfunktion hat sich weiter verschlechtert, die eGFR liegt jetzt unter 20 ml/min. Die Medikation ist weitgehend konstant geblieben. Bisoprolol ist noch nicht ausdosiert, ebenso ist Ramipril noch nicht ausdosiert, da der Blutdruck zu niedrig war, und wegen der Niereninsuffizienz wurde auch kein Mineralokortikoid-Rezeptorantagonist eingesetzt.

Senkung der Hospitalisierungsrate bei HFrEF-Patienten mit hohem Risiko

Auch im Jahr 2021 gilt, dass die Hälfte der Patienten mit der Diagnose Herzinsuffizienz innerhalb von fünf Jahren verstirbt. Bei vielen Patienten werden die leitliniengerechten Medikamente nicht vollständig eingesetzt oder nicht ausreichend hoch genug dosiert. Je häufiger die Patienten nach der Erstdiagnose einer Herzinsuffizienz dekompensieren und deswegen stationär behandelt werden müssen, desto höher ist ihr Risiko und desto schlechter ihre Prognose. Es wird sich zeigen, welchen Einfluss die SGLT2-Inhibitoren und neue Substanzen wie Vericiguat und Omecamtiv-Mecarbil auf diese Entwicklung haben. Zusätzlich zu den medikamentösen Therapiemaßnahmen können Devices, wie die ICD-Implantation und die „cardiac resynchronization therapy”-Implantation zur kardialen Resynchronisationstherapie, eingesetzt werden. Auch eine Behandlung der Herzklappen in Form einer TAVI bei Patienten mit schwerer Aortenstenose und das Mitral-Clipping bei der hochgradigen funktionellen Mitralklappeninsuffizienz trägt bei Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz dazu bei, die Hospitalisierungsrate zu senken.

Interdisziplinäre Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten

Die Herzinsuffizienz ist eine häufige Erkrankung mit chronischem Verlauf, weshalb betroffene Patienten dauerhaft begleitet und motiviert werden müssen. Dazu zählen die regelmäßige Einnahme von Medikamenten, eine Optimierung der Medikation, die Einhaltung von Trinkmengenbeschränkungen und das Beobachten von Symptomverschlechterungen. Aus diesem Grund empfiehlt die neue Leitlinie mit höchster Empfehlungsstufe (Klasse Ia) multidisziplinäre Versorgungsprogramme für herzinsuffiziente Patienten. Hierbei unterstützt die ESC den Einsatz von spezialisierten Pflegefachkräften. Strukturierte Versorgungsprogramme, die in Deutschland entwickelt wurden, konnten einen Überlebensvorteil zeigen, der dem einer medikamentösen oder Device-Therapie entspricht. In der TIM-HF2-Studie konnte durch ein Telemonitoring der Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz zu Hause eine günstige Wirkung auf die Mortalität und die Hospitalisierungsrate dokumentiert werden. Natürlich belasten alle genannten Maßnahmen das Gesundheitsbudget. Aber was wir in diesem Budget nicht abbilden, das zahlen wir in der Notaufnahme, und das gilt ganz besonders für die Herzinsuffizienz. In den Leitlinien wird Telemonitoring für herzinsuffiziente Patienten mit Empfehlungsstufe IIb empfohlen. Seit Dezember 2020 bieten die gesetzlichen Krankenkassen die lückenlose telemedizinische Betreuung von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz an, wobei eine Zusammenarbeit zwischen telemedizinischen Zentren und niedergelassenen Ärzten erfolgen soll. Dabei ist das Datenmanagement und die technische Ausstattung der Patienten durch die Telemedizinzentren (TMZ) gewährleistet, während die direkte Therapieentscheidung beim behandelnden Arzt verbleibt. Gemäß G-BA-Beschluss haben Patienten im Stadium NYHA II oder III mit einer EF <40 %, die entweder bereits mit einem CRT- oder ICD-System behandelt werden oder aber in den letzten zwölf Monaten wegen Herzinsuffizienz stationär behandelt wurden, Anspruch auf eine solche telemedizinische Versorgung. Zur Aufstellung und Zertifizierung eines TMZ gibt es ein Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie.

Monitoring mit Biomarkern

Studien, die den Einsatz von Biomarkern (insbesondere BNP und/oder NT-proBNP) zur Steuerung der Pharmakotherapie bei HFrEF untersuchen, haben widersprüchliche Ergebnisse hervorgebracht. Das NT-proBNP ist für die Diagnose der Herzinsuffizienz und zur differenzialdiagnostischen Einordnung in der Notaufnahme hilfreich, eine Bestimmung ist aber nicht immer zwingend erforderlich, da die Patienten symptomatisch auffällig sind, starke Luftnot haben, über der Lunge gestaut sind und periphere Ödeme aufweisen. Konzeptionell ist unklar, was eine mit Biomarkern unterstützte Strategie zusätzlich zu einer konsequenten Anwendung der leitliniengerechten Therapie bieten könnte. Die derzeitige Evidenz unterstützt daher nicht die routinemäßige Messung von BNP oder NT-proBNP zur Steuerung der Therapieanpassung. Zur Verlaufsbeobachtung alle drei bis sechs Monate kann dennoch ein pragmatisches Vorgehen empfohlen werden: Eine Änderung des NT-proBNP ≥30 % ist prognostisch relevant, und bei einem entsprechenden Anstieg kann eine stationäre Aufnahme zur Rekompensation und Therapieoptimierung sinnvoll sein.

Fazit

  • Hypertonie, Hypercholesterinämie und Diabetes mellitus sind die wichtigsten Risikofaktoren in der Entwicklung einer Herzinsuffizienz auf dem Boden einer koronaren Herzkrankheit, und deren effektive Therapie ist somit die Basis der Primärprävention.
  • Eine möglichst rasche Reperfusion nach Koronarverschluss begrenzt den Infarkt und reduziert in Verbindung mit einer effektiven Sekundärprävention das Herzinsuffizienzrisiko.
  • Die Basismedikation zur Behandlung der HFrEF besteht aus ACE-Hemmer bzw. ARB, Betablockade, MRA und ARNI im Austausch gegen den ACE-Hemmer.
  • Mit der ersten Dekompensation einer chronischen HFrEF steigt das Risiko der Patienten deutlich an. Omecamtiv-Mecarbil und Vericiguat sind wirksame Neuentwicklungen.
  • Zusätzlich zur medikamentösen Therapie mit maximal tolerablen Dosierungen sind die ICD- oder CRT-Implantation, Klappeninterventionen sowie ein Telemonitoring effektive Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz.
  • Die Verlaufskontrolle mit NT-proBNP wird kontrovers diskutiert. Veränderungen ≥30 % werden aber als prognostisch relevant eingestuft.

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