Einführung
Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Myokardinfarkt und Schlaganfall sind die häufigsten Todesursachen in Europa. Sie verursachen hohe wirtschaftliche Belastungen, die in der Europäischen Union Kosten in Höhe von 210 Milliarden Euro pro Jahr verursachen und in den kommenden Jahrzehnten voraussichtlich noch ansteigen werden. Durch die medikamentöse Senkung des LDL-Cholesterins mit Statinen, Ezetimib und PCSK9-Inhibitoren kann das kardiovaskuläre Risiko signifikant reduziert werden. Der absolute Nutzen einer solchen Therapie hängt dabei vom Ausmaß des absoluten Risikos, von der Höhe der LDL-Cholesterinkonzentration (Low Density Lipoprotein) zu Therapiebeginn, vom Ausmaß der LDL-Senkung und auch von der Dauer der Senkung ab. Dennoch können durch eine konsequente LDL-C-Senkung nur 20 bis 50 % der kardiovaskulären Ereignisse verhindert werden. Es bleibt also ein kardiovaskuläres Residualrisiko bestehen, das bei Patienten mit einer kombinierten Hyperlipoproteinämie, die neben einem erhöhten LDL-Cholesterin auch erhöhte Triglyceridspiegel haben, besonders hoch ist. Dabei handelt es sich meist um Patienten mit einem metabolischen Syndrom oder einem Typ-2-Diabetes. Kardiovaskuläre Hochrisikopatienten mit erhöhten Triglyceridwerten trotz Statintherapie benötigen präventive Strategien, die über die LDL-C-Senkung hinausgehen. Die Behandlung mit Icosapent-Ethyl soll diese Lücke schließen.
Kombinierte Hyperlipoproteinämie als komplexe Störung des Lipidstoffwechsels
Bei der kombinierten Hyperlipoproteinämie eines Patienten mit metabolischem Syndrom oder Typ-2-Diabetes sind Gesamtcholesterin und Triglyceride erhöht, der Anteil des HDL-Cholesterins (High Density Lipoprotein) ist erniedrigt und des LDL-Cholesterins erhöht. Die LDL-Erhöhung ist meist nicht so ausgeprägt wie bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie. Auffällig sind weiterhin ein zu hohes Non-HDL-Cholesterin (Gesamtcholesterin minus HDL-Cholesterin) und ein erhöhtes Remnant-Cholesterin. Als Remnant-Cholesterin wird das Cholesterin bezeichnet, das mit den triglyceridreichen Lipoproteinen assoziiert ist. Ursachen der Hypertriglyceridämie sind entweder eine vermehrte Produktion und/oder ein verminderter Abbau, hervorgerufen durch eine Kombination von genetischer Prädisposition und sekundären Faktoren, wie zum Beispiel Diabetes mellitus, Ernährung, Übergewicht und Alkohol. Betroffen sind dabei besonders triglyceridreiche Apolipoprotein-B-48-haltige Lipoproteine aus dem Darm, wie Chylomikronen und Chylo-Remnants; im nüchternen Zustand sind jedoch bei erhöhten Triglyceridwerten vor allem die triglyceridreichen ApoB-100-haltigen Lipoproteine aus der Leber, wie VLDL oder IDL, vermehrt. Sehr selten kann eine Hypertriglyceridämie auch durch eine monogenetische Störung aus dem Bereich der Lipoproteinlipase bedingt sein, die als Chylomikronämie-Syndrom bezeichnet wird. Die ApoB-100-haltigen Lipoproteine werden aus der Leber als VLDL-Partikel sezerniert. Sie enthalten Triglyceride und Cholesterinester. Im Laufe eines Delipidierungsprozesses werden die Partikel nicht nur immer kleiner, sondern durch permanenten Abbau sinkt auch der Triglyceridanteil, während der Cholesterinesteranteil ansteigt. Die Dichte der Partikel nimmt dabei zu: So werden aus VLDL-Partikeln IDL- und LDL-Partikel. Jeder Partikel enthält dabei immer nur ein ApoB-Molekül. Die Gruppe aus VLDL, IDL, Chylomikronen und Chylo-Remnants sind besonders triglyceridreich. Im Rahmen der Entwicklung einer Arteriosklerose ist die Anzahl der ApoB-haltigen Lipoproteine im Serum eine entscheidende Determinante. Eine sehr große Anzahl von kleineren Partikeln wie IDL und Chylo-Remnants ist deutlich atherogener als eine geringe Anzahl von frischen Chylomikronen oder VLDL-Partikeln.
Die Bedeutung der Triglyceride für das residuale kardiovaskuläre Risiko
Patienten mit erhöhten Triglyceridkonzentrationen haben ein höheres Myokardinfarktrisiko. Bis zu einem Wert von 3 bis 4 mmol/l steigt das Risiko an. Bei Werten >4 mmol/l bleibt das Myokardinfarktrisiko konstant hoch – unabhängig vom Alter der Patienten, vom Geschlecht oder von einer Adjustierung nach Risikofaktoren wie Alkoholkonsum oder Diabetes mellitus. Damit unterscheiden sich die Triglyceride als Risikofaktor von anderen Faktoren wie LDL-C, Rauchen und Hypertonie, bei denen mit zunehmender Dosis bzw. Höhe die Atherogenität immer weiter zunimmt. Als Ursache für die Abflachung der Risikokurve mit zunehmender Triglyceridkonzentration könnten Veränderungen im relativen Anteil der triglycerid-reichen Partikel diskutiert werden. Wenn ab einer Triglyceridkonzentration von über 3 bis 4 mmol/l der relative Anteil von großen Partikeln wie VLDL und Chylomikronen zunimmt, bleibt die Anzahl der Partikel als entscheidende Determinante für die Atherogenität annähernd unverändert, während die Triglyceridkonzentration weiter ansteigt. Aus diesem Grund ist es wichtig, bei Patienten mit erhöhten Triglyceridwerten auch das Remnant-Cholesterin und die ApoB-Konzentration zu analysieren bzw. alternativ rechnerisch die Differenz zwischen Non-HDL und LDL-C, die nicht höher als 30 mg/dL sein sollte.
Marker für die Abschätzung des kardiovaskulären Risikos
In triglyceridreichen Lipoproteinen werden Triglyceride zusammen mit Cholesterin (Remnant-Cholesterin), ApoB und anderen Apoproteinen transportiert. ApoB-haltige Lipoproteine gelangen in die Gefäßwand. Nordestgaard et al. untersuchten den Zusammenhang zwischen den Serumkonzentrationen des Remnant-Cholesterins, dem Risiko für das Auftreten von Myokardinfarkten und der Gesamtmortalität. Wie bei den Triglyceriden zeigte sich eine positive Korrelation, aber ohne Abflachung der Kurve. Ference et al. konnten vergleichbare Daten mit einem stetig und linear zunehmenden kardiovaskulären Risiko dokumentieren, wenn die ApoB-Konzentration ansteigt. Sie untersuchten hierzu Patienten mit entsprechenden genetischen Varianten. Dabei ist es für den Risikoanstieg unerheblich, ob die ApoB-Erhöhung durch klassische LDL-Partikel oder durch Polymorphismen und Mutationen aus dem Bereich der triglyceridreichen Lipoproteine bedingt ist. Je höher das ApoB-100 ist, desto höher ist das kardiovaskuläre Risiko. Die Daten weisen darauf hin, dass Triglyceride selbst nicht atherogen sind. Es sind die in den triglyceridreichen Lipoproteinen anderweitig transportierten Substanzen, insbesondere das Cholesterin, Cholesterinester, aber wahrscheinlich auch das ApoB-100 und andere Apoproteine, die letztendlich die Atherogenität bedingen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist, dass auch die triglyceridreichen Lipoproteine selbst einen Einfluss auf die Zusammensetzung und den Stoffwechsel anderer Lipoproteine haben. Bei einem hohen Anteil von triglyceridreichen Lipoproteinen verändern sich Zusammensetzung und Stoffwechsel von LDL-Partikeln. Der Anteil von direkt atherogenen Partikeln nimmt mit steigender Triglyceridkonzentration zu. Hinzu kommt, dass bei Patienten mit erhöhten Triglyceridwerten auch die Funktionalität des HDL verändert ist und dass das in den triglyceridreichen Lipoproteinen enthaltene ApoC-3 und ApoE vermutlich auch direkt atherogene Prozesse moduliert. Triglyceride könnten nach aktuellem Verständnis ein gewisser Marker für triglyceridreiche ApoB-100-haltige Lipoproteine sein, die atherogen wirken, wenn die Partikel nicht zu groß sind. Das wären vornehmlich VLDL-Remnants, IDL, LDL und auch das Lipoprotein (a). Allerdings sind die Veränderungen im Lipoproteinstoffwechsel bei erhöhten Triglyceridwerten so komplex, das Non-HDL-Cholesterin und ApoB bessere Parameter zur Abschätzung der Gesamtheit der ApoB-100-haltigen Lipoproteine sind. Beide werden deshalb bei den Empfehlungen der ESC (European Society of Cardiology) als sekundäre Zielparameter zur Behandlung von Patienten mit kombinierter Hyperlipoproteinämie und erhöhten Triglyceridkonzentrationen aufgeführt. Varbo et al. haben die Bedeutung von Remnant-Cholesterin als Risikofaktor für ischämische Herzerkrankungen untersucht. Je höher die Triglyceridkonzentration ist, desto höher ist der Anteil des Remnant-Cholesterins am Non-HDL-Cholesterin. Mit gleichbleibenden LDL-Konzentrationen nimmt also die Menge des Non-HDL-Cholesterins zu, wenn die Triglyceridkonzentration ansteigt. Für die Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei Patienten mit kombinierter Hyperlipoproteinämie ist es demnach entscheidend, nicht nur das LDL zu senken, sondern auch das Remnant-Cholesterin bzw. das Non-HDL-Cholesterin.
Triglyceride, Remnant-Cholesterin und Aortenklappenstenose
Mit steigender Triglyceridkonzentration nimmt das Risiko für die Entwicklung von Aortenklappenstenosen um das 1,5-Fache zu, wie aktuelle epidemiologische Daten einer dänischen Arbeitsgruppe aus einer Population von 108.559 Menschen der Allgemeinbevölkerung belegen. Die gleiche Arbeitsgruppe hat diese epidemiologischen Befunde mit genetischen Daten bestätigt, die erhöhte Triglyceride oder ein erhöhtes Remnant-Cholesterin als Risikofaktor für eine Aortenklappenstenose identifizieren.
Allgemeine Therapiemassnahmen bei Hypertriglyceridämie
Die Lebensstiländerung hat bei Patienten mit erhöhten Triglyceridkonzentrationen einen hohen Stellenwert. Abbau von Übergewicht, mehr körperliche Bewegung, Ernährungsumstellung insbesondere mit einer Reduktion von schnell verstoffwechselbaren Kohlenhydraten, mehr Ballaststoffe und Gemüse und insbesondere eine Reduktion des Alkoholkonsums gehören zu den wichtigen allgemeinen Therapiemaßnahmen. Die große Bandbreite der individuellen Reaktionen auf die Lebensstiländerung spiegelt die genetische Heterogenität wider. Es gibt Menschen, deren Triglyceridspiegel sich trotz erheblicher Gewichtsreduktion kaum ändern, und es gibt Fälle, bei denen die Hypertriglyceridämie nicht mehr nachweisbar ist, nachdem auf das abendliche Bier verzichtet und das Gewicht um nur 2 kg reduziert wurde. Deshalb ist es sinnvoll, zunächst allen Patienten eine Ernährungsberatung zukommen zu lassen und ihnen eine konsequente Umsetzung der Lebensstiländerung für mehrere Wochen anzuraten.
Neue Aspekte der Leitlinien zur Dyslipidämie
Zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos im Rahmen der Primär- und Sekundärprävention ist die Senkung der LDL-Cholesterins auch bei erhöhten Triglyceridwerten und der kombinierten Hyperlipoproteinämie das primäre Therapieziel. Abhängig von der Höhe des Risikos sind LDL-Zielwerte in den ESC-Leitlinien dokumentiert. Auch für Non-HDL-Cholesterin und ApoB geben die Leitlinien risikoabhängige Zielwerte für die Sekundärprävention vor. Für die Triglyceride gibt es aufgrund fehlender Evidenz kein klares Therapieziel, allerdings werden Konzentrationen unterhalb von 150 mg/dl (<1,7 mmol/l) mit einem niedrigeren Risiko assoziiert, und bei höheren Werten wird empfohlen, nach weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren zu suchen. Die aktuellen ESC-Leitlinien empfehlen auf einem Ib-Level für Hochrisikopatienten mit einer Triglyceridkonzentration von >200 mg/dl (>2,3 mmol/l) die Gabe von Statinen als Medikamente der ersten Wahl. Wenn im Rahmen der Primärprävention das LDL-C-Therapieziel erreicht wird und die Triglyceridkonzentrationen immer noch >200mg/dl (>2,3 mml/l) liegen, kann zusätzlich Fenofibrat oder Bezafibrat eingesetzt werden. Diese Klasse-IIb-Empfehlung gilt auch für Hochrisikopatienten. Aufgrund aktueller Evidenz, die in den nächsten Kapiteln dargestellt wird, wurde in den ESC-Leitlinien für Hochrisikopatienten mit Triglyceridspiegeln zwischen 135 und 499 mg/dl (1,5 und 5,6 mmol/l) trotz Statintherapie die Gabe von Icosapent-Ethyl in einer Dosierung von zweimal 2 g/Tag als Klasse-IIa-Empfehlung aufgenommen. Die zeitgemäßen Therapiemaßnahmen zur Behandlung von Patienten mit erhöhten Triglyceridwerten wurden in einem Algorithmus zusammengefasst. Wenn unter Lebensstiländerung und einer Therapie mit Statinen das Therapieziel für Non-HDL-Cholesterin nicht erreicht wird und die Triglyceridkonzentrationen weiter erhöht sind, wird für Patienten mit Triglyceridkonzentrationen unterhalb und oberhalb von 10 mmol/l eine differenzierte Therapieeskalation empfohlen die den zusätzlichen Einsatz von Fibraten und/oder Omega-3-Fettsäuren vorsieht. Bei Konzentrationen von <10 mmol/l steht dabei die kardiovaskuläre Risikoreduktion im Vordergrund, bei Werten ≥10 mmol/l ist die Prävention einer Pankreatitis primäres Therapieziel.
Omega-3-Fettsäuren zur Reduktion des residualen Risikos bei kardiovaskulären Patienten
Die einfache Aufteilung in schlechte gesättigte Fettsäuren und gute ungesättigte Fettsäuren muss aufgrund von neuen Erkenntnissen differenzierter betrachtet werden. In der Ernährung scheinen nicht die gesättigten Fettsäuren mit einem negativen Risiko assoziiert zu sein, sondern eher die Nahrungsmittel mit einem hohen glykämischen Index. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden in Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren unterteilt. Bei der alpha-Linolensäure, einer Omega-3-Fettsäure, handelt es sich um einen essenziellen Nahrungsbestandteil, der im Körper selbst nicht synthetisiert werden kann. Er ist zum Beispiel in Lein- und Rapsöl enthalten und wird nach Aufnahme im Körper zu den Omega-3-Fettsäuren Docosahexaensäure (DHA) und Eicosapentaensäure (EPA) umgewandelt. Es gibt zahlreiche kontrollierte Studien, die den Nutzen von niedrig dosierten Omega-3-Fettsäuren bei kardiovaskulären Risikopatienten nachweisen sollten. Meist wurden Mischungen aus DHA und EPA in Dosierungen von bis zu 1 g/Tag eingesetzt. Es konnten damit weder negative noch positive Effekte auf kardiovaskuläre Ereignisse dokumentiert werden, was die Metaanalyse von Aung et al. eindrucksvoll zusammenfasst. Selbst in Untersuchungen mit einer sehr hohen methodischen Qualität, wie den ASCEND- und VITAL-Studien, konnte mit niedrig dosierten Omega-3-Fettsäuren kein positiver Effekt erzielt werden.
Reduktion des kardiovaskulären Risikos mit hoch dosierten EPA/DHA-Mischpräparaten bei Hochrisikopatienten
In der STRENGHT-Studie wurde eine Tagesdosis von 4 g Omega-3-Fettsäuren als Mischung aus DHA und EPA mit Maisöl als Placebo verglichen. Insgesamt wurden 13.000 Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko oder manifester Arteriosklerose in die Studie eingeschlossen. Einschlusskriterium war unter anderem eine Triglyceridkonzentration unter einer Therapie mit Statinen zwischen 180 und 500 mg/dl. Bei einem Stand von 1384 erreichten Endpunkten wurde die Studie im Januar 2020 vorzeitig beendet. Das Ergebnis war trotz der hohen Dosierung neutral. Auch die OMEMI-Studie zur Sekundärprävention bei 1027 älteren Patienten (70 bis 80 Jahre) mit einem zwei bis acht Wochen alten Myokardinfarkt und mittleren Triglyceridspiegeln von 111,4 mg/dl zeigte keinen positiven Effekt. Hier wurde eine Tagesdosis von 1,8 g Omega-3-Fettsäuren mit Maisöl als Placebo verglichen. In beiden Studien wurde ein Trend zu häufigerem Vorhofflimmern in der Therapiegruppe dokumentiert.
Icosapent-Ethyl zur Ereignisreduktion bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten
Die isolierte Icosapent-Ethylsäure, kurz Icosapent-Ethyl, ist im Vergleich zu den bislang verwendeten Omega-3-Fettsäuregemischen kein Nahrungsergänzungsmittel, sondern ein Arzneimittel. Wirksamkeit und Verträglichkeit dieser Substanz wurden erstmals klinisch in der JELIS-Studie geprüft. Insgesamt 18.645 japanische Patienten mit Triglyceridwerten ≥6,5 mmol/l wurden mit 1,8 g Icosapent-Ethyl behandelt, um den Einfluss auf die Inzidenz von Koronarereignissen zu dokumentieren. Es gab in dieser Studie keine Placebogruppe und keine Verblindung für Studienteilnehmer und Studienärzte. Die Auswertung erfolgte allerdings verblindet. Die mittlere Behandlungszeit betrug 4,6 Jahre. Trotz der niedrigen absoluten Ereignisraten zeigte sich eine signifikante Risikoreduktion (Hazard Ratio 0,81; 95%-KI 0,69–0,95, p = 0,011) bei der Gesamtpopulation. In der REDUCE-IT-Studie wurden insgesamt 8179 Patienten eingeschlossen und im Median über 4,9 Jahre randomisiert doppelblind entweder mit zweimal 2 g Isosapent-Ethyl oder Mineralöl als Placebo behandelt. Einschlusskriterien waren ein Alter ≥45 Jahre und eine etablierte kardiovaskuläre Erkrankung (Sekundärpräventionskohorte) oder ein Alter ≥50 Jahre, Diabetes mellitus und mindestens ein zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktor (Primärpräventionskohorte). Die Nüchtern-Triglyceridkonzentrationen zu Studienbeginn sollten zwischen ≥135 und <500 mg/dl liegen, die LDL-C-Konzentration unter einer regelmäßigen Statintherapie (mit oder ohne zusätzliche Gabe von Ezetimib) sollte <100 mg/dl betragen. Die tatsächlichen mittleren Triglyceridspiegel lagen bei 216 mg/dl und die LDL-C-Konzentration bei 75 mg/dl. In der Kaplan-Meier-Darstellung des wichtigen sekundären kombinierten Endpunktes (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall) trennen sich die Ereigniskurven nach etwa einem bis 1,5 Jahren Therapie, was als Hinweis auf einen verzögerten Wirkungsmechanismus gedeutet werden kann]. Icosapent-Ethyl senkt das absolute Risiko eindrucksvoll und statistisch signifikant um 3,6 % (Hazard Ratio 0,74; 95%-KI 0,65–0,83; p< 0,001). Die Number needed to treat (NNT) ist mit 28 sehr niedrig. Die relative Risikoreduktion von etwa 25 % ist homogen verteilt und gilt sowohl für den kardiovaskulären Tod, Myokardinfarkt als auch für den Schlaganfall. In der REDUCE-IT-REVASC-Auswertung wurde der Einfluss von Icosapent-Ethyl auf die Zeit bis zur perkutanen transluminalen koronaren Angioplastie (PTCA) und die Zeit bis zu einer koronaren Bypass-OP analysiert. Auch hier zeigte sich eine eindrucksvolle signifikante Wirksamkeit. Icosapent-Ethyl erwies sich als sehr gut verträglich. Auffällig waren lediglich etwas häufigere Blutungsereignisse mit 2,7 % in der Therapiegruppe und 2,1 % in der Placebogruppe (p = 0,06) sowie häufigeres Vorhofflimmern unter Isosapent-Ethyl (5,3 % vs. 3,9 % unter Placebo, p = 0,003). Ein Trend zu häufigerem Vorhofflimmern bei insgesamt niedriger Inzidenz zeigte sich auch bei den STRENGHT- und OMEMI. Hierzu gibt es noch keine klare Hypothese. Die Senkung der Trigyceridkonzentration durch Isosapent-Ethyl um im Mittel 19,7 % kann diese Risikoreduktion allein nicht erklären. Sie ist unabhängig von der Ausgangs-Triglyceridkonzentration und vom Ausmaß der erreichten Triglyceridsenkung. Es besteht auch keine Abhängigkeit von der Statintherapie, vom LDL-C und vom hochsensitiven C-reaktiven Protein (CRP). Letzteres würde auf einen anti-inflammatorischen Wirkungsmechanismus hinweisen. Die Verwendung von Mineralöl als Placebo war Gegenstand einer intensiven und detaillierten wissenschaftlichen Diskussion, weil die Zusammensetzung dieses Öles nicht eindeutig definiert ist. Es wurde diskutiert, ob Bestandteile im Mineralöl die Absorption der Statine verändert und damit die LDL-C-Spiegel beeinflusst haben könnte. Nach Analysen für die FDA (Food and Drug Administration) wurde jedoch eine maximal mögliche 3,1%ige Verschlechterung der in der REDUCE-IT-Studie erreichten Risikoreduktion über eine mineralölbedingte Beeinflussung der Statinabsorption kalkuliert. Die mit Isosapent-Ethyl erreichte Risikoreduktion wäre dann aber immer noch eindrucksvoll und statistisch signifikant. Aufgrund der Datenlage wurde Icosapent-Ethyl Ende März 2021 von der Europäischen Kommission als Arzneimittel zur Senkung des trotz Statintherapie fortbestehenden Residualrisikos für kardiovaskuläre Ereignisse zugelassen, konkret zur
- Reduzierung des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse bei mit Statinen behandelten erwachsenen Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko und erhöhten Triglyceridwerten ≥1,7 mmol/l (150 mg/dL) sowie
- bei nachgewiesener kardiovaskulärer Erkrankung oder
- bei Diabetes und mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor.
Hypothesen zum Mechanismus der kardiovaskulären protektiven Wirkung
Der Wirkungsmechanismus von Omega-3-Fettsäuren und Icosapent-Ethyl ist unklar. Der Verlauf der Kaplan-Meier-Kurven, die sich erst spät trennen und danach stetig weiter auseinanderdriften, könnte als Hinweis auf einen verzögert eintretenden und nachhaltigen Mechanismus gedeutet werden. Die Arbeitsgruppe der REDUCE-IT-Studie hat in einem Poster dargestellt, ob die in der Studie erreichten Serumkonzentrationen von Icosapent-Ethyl mit den kardiovaskulären Endpunkten korrelieren und einen Zusammenhang bestätigen. Experimentelle Studien mit der koronaren CT-Angiografie als Bildgebungsverfahren haben gezeigt, dass hohe Eicosapentaensäurespiegel das Signal für perikoronares Fettgewebe dämpfen, was als neuer Marker für Entzündungsprozesse identifiziert wurde. Eine australische Arbeitsgruppe konnte an 40 Probanden, die über 30 Tage entweder mit 4 g Omega-3-Fettsäuren/Tag (EPA, DHA, Fischöl) oder Placebo behandelt wurden, Expressionsveränderungen verschiedener Marker dokumentieren, die für einen antiinflammatorischen Effekt sprechen. Außerdem gibt es Hypothesen, dass die Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA unterschiedliche Wirkungen auf die Struktur und Permeabilität von Zellmembranen haben könnten, was die divergenten Ergebnisse der STRENGTH- und REDUCE-IT-Studie erklären könnte.
Fazit
- Hohe Triglyceridkonzentrationen sind mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert.
- Im Gegensatz zu den ApoB-100-haltigen Lipoproteinen sind Triglyceride selbst nicht atherogen.
- Die Primärtherapie von Patienten mit erhöhten Triglyceridwerten erfolgt zur kardiovaskulären Risikoreduktion mit Statinen und kann mit Ezetimib und/oder Fibraten eskaliert werden.
- Bei kardiovaskulären Hochrisikopatienten mit Triglyceridspiegeln ≥150 mg/dl (≥1,7 mmol/l) trotz Statintherapie ist die Gabe von Icosapent-Ethyl in einer Tagesdosis von zweimal 2 g eine weitere evidenzbasierte Option zur Senkung des Residualrisikos.
- Der Wirkungsmechanismus der Omega-3-Fettsäuren ist nicht bekannt. Es gibt u. a. Hypothesen in Richtung einer antiinflammatorischen oder zellmembranverändernden Wirkung.
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