Diagnostik, Symptomatik und Verlauf
Die Diagnose der akuten Rhinosinusitis wird durch Anamnese und eine klinische Untersuchung gestellt. Bildgebende Verfahren spielen bei der akuten Form der Rhinosinusitis keine wesentliche Rolle. Zur Unterstützung der Therapieentscheidung sind die Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) sinnvoll, die möglichst mittels Point-of-Care-Test in der Praxis erfolgen sollte. Klinische Symptome sind eine behinderte Nasenatmung, anteriore oder posteriore Sekretion (Postnasal Drip), Gesichtsschmerz und eine Störung des Geruchssinnes. Fieber und Kopfschmerzen kommen als fakultative Symptome hinzu. Eine akute Rhinosinusitis heilt in über 50 % der Fälle spontan und ohne weitere Therapie innerhalb von einer Woche, 60 bis 80 % der Fälle sind nach zwei Wochen abgeheilt, und nach sechs Wochen beträgt die Abheilungsrate über 90 %.
Therapieoptionen nach WHO-Leitlinie
Die WHO-Leitlinie wurde letztmalig 2022 aktualisiert und empfiehlt bei einer akuten Rhinosinusitis eine an den Schweregrad der Erkrankung angepasste Behandlung. Bei einem leichten bis mittelschweren Verlauf mit einer Erkrankungsdauer <10 Tage und mit erkennbarer Besserung empfiehlt die WHO eine abwartende Haltung mit Symptomlinderung und ohne antibiotische Behandlung. Als symptomatische Therapie werden Ibuprofen (200 bis 400 mg q6 bis 8 h, maximal 2,4 g/Tag) und Paracetamol (0,5 bis 1 g q4 bis 6 h, maximal 4 g/Tag und maximal 2 g/Tag bei eingeschränkter Leberfunktion) als fiebersenkende und schmerzstillende Medikamente genannt. Zusätzlich werden Nasenspülungen mit Kochsalzlösung sowie topische Glukokortikoide und abschwellende Mittel aufgeführt. Antibiotika haben laut WHO in den meisten Fällen nur eine minimale Auswirkung auf die Symptomdauer und sollen nur bei einer schweren Symptomatik in Betracht gezogen werden, die wie folgt definiert wurde: Fieber ≥39 °C sowie eitrige Nasenschleimhaut und Gesichtsschmerzen an mindestens drei bis vier aufeinanderfolgenden Tagen. Außerdem können Antibiotika verordnet werden, wenn Patienten aufgrund von chronischen Begleiterkrankungen oder einer Immunsuppression ein erhöhtes Komplikationsrisiko haben oder wenn Hinweise auf eine komplizierte Infektion vorliegen, wie systemische Toxizität, anhaltendes Fieber ≥39 °C, periorbitale Rötung und Schwellung sowie starke Kopfschmerzen und ein veränderter mentaler Status. Bei einer normalen Nierenfunktion werden Amoxicillin 1 g q8 h oral oder Amoxicillin 500 mg plus Clavulansäure 125 mg q 8h oral empfohlen. Als Dauer der Antibiotikatherapie empfiehlt die WHO fünf Tage.
Therapieoptionen nach S2k-Leitlinie
Die deutsche S2k-Leitlinie Rhinosinusitis wurde 2017 veröffentlicht. Die Empfehlungen zum Einsatz von Antibiotika stimmen weitgehend mit den WHO-Empfehlungen überein. Antibiotika sollen bei einer akuten Rhinosinusitis nur bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren eingesetzt werden:
- Starke Kopfschmerzen, Gesichtsschwellungen, Lethargie
- Starke bis sehr starke Schmerzen plus erhöhte Entzündungswerte
- Starke Beschwerden und/oder Verstärkung der Beschwerden im Lauf der Erkrankung und/oder Fieber ≥38,5 °C
- Kinder, Immunsupprimierte und schwer erkrankte Patienten gelten als Ausnahme.
Die Leitlinie weist darauf hin, dass für eine Antibiotikatherapie keine Evidenz vorliegt, die günstige Effekte auf die Rezidiv- oder Komplikationsrate belegt. In 15 bis 20 % der Fälle traten bei einer Antibiotikatherapie leichte Nebenwirkungen auf, insbesondere Störungen im Magen-Darm-Trakt. In 2 bis 3 % der Fälle musste die Therapie aufgrund von mittelschweren Nebenwirkungen abgebrochen werden. Als nicht medikamentöse Therapieverfahren nennt die Leitlinie Nasenspülungen sowie lokale Wärme und heiße Dämpfe. Nasenspülungen haben einen präventiven Effekt bei Infektneigung und können die Anwendungshäufigkeit von abschwellenden Medikamenten (Dekongestiva) deutlich reduzieren. Nicht empfohlen aufgrund unzureichender Evidenz werden Akupunktur, Homöopathie und eine gesteigerte Flüssigkeitsaufnahme. Zu den von der S2k-Leitlinie empfohlenen medikamentösen Therapieverfahren bei akuter Rhinosinusitis und rezidivierenden akuten Rhinosinusitiden gehören:
- Dekongestiva (Sympathomimetika/Parasympatholytika) systemisch und/oder lokal für maximal sieben Tage zur Verbesserung der Nasenatmung und Erweiterung der Ostien
- Schmerzmittel
- Topische Steroide
- Phytotherapeutika, wie BNO1016, Eukalyptusextrakte oder Cineol
Von den in der alten Leitlinie aus 2017 empfohlenen Antibiotika können aktuell und analog zur WHO-Empfehlung nur Amoxicillin oder die Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure als Antibiotika der ersten Wahl genannt werden. Cefuroxim sollte aufgrund von mangelnder oraler Bioverfügbarkeit und Clindamycin aufgrund zahlreicher Resistenzen nicht mehr verordnet werden. Nicht empfohlen werden außerdem Sekretolytika wie Acetylcystein oder Ambroxol, orale Steroide, Antihistaminika bei nicht bekannter allergischer Disposition sowie Nahrungsergänzungsmittel wie Zink oder Vitamin C.
Resistenzentwicklung gegen Antibiotika
Antibiotika werden bei akuten Rhinosinusitiden häufig verordnet, ohne dass eine Indikation vorliegt. Patienten wünschen oft nachdrücklich eine antibiotische Behandlung und haben kein Verständnis dafür, wenn diese nicht verordnet wird. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern es ist ein weltweites Phänomen. Durch eine unbegründete, zu lange andauernde und nicht kalkulierte Antibiotikatherapie werden Resistenzen gezüchtet, die weltweit auf dem Vormarsch sind und die Therapie von Infektionskrankheiten vor große Herausforderungen stellen. Der wichtigste Grund dafür, dass eine akute Rhinosinusitis keiner Antibiotikatherapie bedarf, ist, dass sie in über 95 % der Fälle durch eine Virusinfektion bedingt ist. Es gibt bislang auch keinen Nachweis, dass eine antibiotische Abdeckung bei einer Rhinosinusitis bakterielle Superinfektionen verhindert. Infektionen mit multiresistenten Bakterien haben 2015 in Europa mehr als 33.000 Todesfälle verursacht. Diese Anzahl ist vergleichbar mit den Todesfällen, die durch Influenza, Tuberkulose und HIV zusammen verursacht wurden. Die Entwicklung ist dramatisch: Seit 2007 steigt die Zahl der Todesfälle durch resistente Bakterienstämme um den Faktor 2,46 an. Die geschätzten jährlichen Kosten für Gesundheitsversorgung und Produktivitätsverluste bedingt durch die Resistenzentwicklung belaufen sich auf etwa 1,5 Milliarden Euro. Durch die Welle von Einwanderern und Flüchtlingen aus osteuropäischen Ländern hat die Anzahl der in Kliniken behandelten Infektionen durch super- oder panresistente Bakterienstämme, insbesondere 4MRGN (gegen alle vier Antibiotikagruppen resistente gramnegative Stäbchen), erheblich zugenommen. Gleichzeitig nimmt die Zahl der neu zugelassenen Antibiotika und Antibiotikaklassen seit Jahrzehnten ab, was die Lage nochmals verschärft. Bakterien haben gegen jedes bisher entdeckte Antibiotikum eine Resistenz entwickelt, manchmal sogar, bevor das Medikament auf den Markt kam. Das Auftreten einer Resistenz bedeutet aber nicht, dass ein Medikament völlig unbrauchbar geworden ist. Die Antibiotikaresistenzen entstehen in den meisten Fällen nicht neu durch Mutationen. In vielen Fällen handelt es sich um bereits vorhandene Resistenzmechanismen, die in der Human- und Veterinärmedizin durch eine unkalkulierte, falsch dosierte und/oder zu lange andauernde Antibiotikatherapie herausselektioniert werden. Manche Resistenzgene wurden in Bakterien nachgewiesen, die seit über 20.000 Jahren im Permafrost eingefroren waren. Das Wettrennen zwischen Resistenzzunahme und Antibiotikaneuentwicklung können wir nicht gewinnen. Die einzige Option besteht darin, die bestehenden Antibiotika besser und kalkulierter zu nutzen, als wir es derzeit tun.
Fehlende Wirksamkeit und Nebenwirkungen von Antibiotika
Über die Hälfte der Antibiotika wird in Europa im Rahmen der ambulanten Versorgung verordnet und die Hälfte davon zur Behandlung von Atemwegsinfektionen. In 80 % der Fälle hat der Antibiotikaeinsatz keine Indikation. Antibiotika wurden für spezifische Zielstrukturen entwickelt, die nur in Bakterien vorkommen und sind deshalb zur Behandlung von Virusinfekten nicht geeignet. Oft wird beobachtet, dass sich unter einer eigentlich nicht indizierten Antibiotikatherapie trotzdem Infektionssymptome bessern. Diese Beobachtung darf aber nicht als Argument dafür angeführt werden, dass es sich tatsächlich um eine bakterielle Infektion gehandelt hat. Viele Antibiotika haben Off-Target-Effekte, wie zum Beispiel eine Schmerzlinderung, die unabhängig von einer antibakteriellen Wirkung sind. Die WHO hat Antibiotika in drei verschiedene Gruppen eingeteilt, um deren Nutzung zu verbessern: Access-Antibiotika werden zur First-Line-Therapie empfohlen, wenn sie indiziert sind. Sie haben in der Regel ein schmales Wirkspektrum. Watch-Antibiotika mit einem breiten Wirkspektrum und oft auch neueren Datums sollen bei problematischen Infektionen eingesetzt werden. Sie sollten nicht übermäßig genutzt werden, um Resistenzen vorzubeugen. Reserveantibiotika sollten möglichst überhaupt nicht eingesetzt werden. Sie sind die letzten Waffen bei multiresistenten Keimen. Die Situation in der Praxis sieht jedoch weltweit ganz anders aus. Auch in Deutschland werden zu viele Breitspektrumantibiotika aus der WHO „Watch”-Gruppe eingesetzt. Neben einem falschen Einsatz von Antibiotika sind auch deren Nebenwirkungen und Wechselwirkungen relevant und ein zusätzliches Argument dafür, diese Medikamente nur dann einzusetzen, wenn sie wirklich sinnvoll sind. Das bekannte Nebenwirkungsspektrum reicht von Allergien und gastrointestinalen Symptomen über Achillessehnenrupturen und Neuropathien bei Chinolonen, von psychiatrischen Symptomen bis zu Nierenschädigungen und Lebertoxizität. Gastrointestinale Nebenwirkungen treten am häufigsten auf, sind aber nur ein Symptom aus der Reihe der zahlreichen schädigenden Effekte von Antibiotika auf das Darmmikrobiom oder den verschiedenen Mikrobiota im Organismus, zu deren Langzeitfolgen unter anderem Übergewicht, metabolische Störungen, allergische und autoimmune Erkrankungen und entzündliche Darmerkrankungen gehören.
Stellenwert der Mikrobiota
In den letzten Jahren hat sich das Wissen über die verschiedenen Mikrobiota auf und im menschlichen Organismus enorm erweitert. Dazu haben insbesondere die Sequenzieranalysen beigetragen, die Mikroorganismen in geringsten Konzentrationen auch dann identifizieren können, wenn sie nicht auf klassische Art und Weise angezüchtet werden können. Die Mikrobiota bestehen nicht nur aus Bakterien, sondern auch aus Viren, davon zu 97 % aus Phagen, die in Bakterien leben und sich vermehren. Hinzu kommen Pilze, Einzeller und Archaeen, die alle miteinander im Rahmen eines multidimensionalen Netzwerkes über verschiedene Signalwege miteinander kommunizieren. Die Mikroorganismen der Mikrobiota produzieren verschiedenste Substanzen, die über den Blutkreislauf verteilt werden. Dadurch interagieren sie auch intensiv mit nahezu allen Körperzellen im Organismus. 2024 wurde im menschlichen Darmmikrobiom mit den sogenannten Obelisken kleine ringförmige RNA-Moleküle entdeckt, die eine stäbchenförmige Struktur annehmen und deren Funktion derzeit noch unbekannt ist. Das menschliche Genom besteht durchschnittlich aus etwa 23.000 Genen. Die Mikroorganismen in den Mikrobiota enthalten aber mindestens das 100-Fache an genetischen Informationen, sodass man inzwischen von einem zweiten Genom spricht, das für unsere Gesundheit sehr wichtig ist. Das Darmmikrobiom im menschlichen Organismus ist das größte und hat mit 30 % des Fäkalvolumens eine Gesamtmasse von etwa 250 g. Es produziert nicht nur Vitamine und Aminosäuren, sondern schützt auch vor Infektionen. Eine Infektion mit Clostridium difficile tritt häufig nach einer Antibiotikabehandlung auf. In einem geschädigten Mikrobiom können sich pathogene Keime besser durchsetzen.
Schädigung der Mikrobiota durch Antibiotika
Die Mikrobiota sind essenziell für die Aufrechterhaltung der Immunhomöostase und stellen eine Barriere gegen pathogene Bakterien und Pilze dar. Untersuchungen an Mäusen haben gezeigt, dass die Unterdrückung der Darmmikrobiota durch Antibiotika die Tiere anfälliger für systemische Virusinfektionen macht, indem die Immunantwort gegenüber Viren durch eine Störung der Interferon-Signalwege supprimiert wird. Die natürliche Virusimmunabwehr des Mikrobioms wird also durch Antibiotika geschwächt. Durch eine Antibiotikabehandlung verändert sich die Zusammensetzung des Mikrobioms: Die Bakterienvielfalt (Diversität) wird beeinträchtigt, die Bakterienmenge wird reduziert, und damit nehmen auch metabolische Funktionen ab, wie die Synthese sekundärer Gallensäuren und kurzkettiger Fettsäuren. Antibiotikaschäden im Mikrobiom, die auch als „Antibiotikavernarbung” bezeichnet werden, sind zum Teil noch Jahre nach der Therapie nachweisbar. Neben der fehlenden antiviralen Wirksamkeit ist die Schädigung des Mikrobioms ein weiterer Grund, um bei den meisten akuten Rhinosinusitiden auf den Einsatz von Antibiotika zu verzichten oder damit vorsichtiger umzugehen.
Resistenzvermeidung durch rationalen Antibiotikaeinsatz: Antibiotic Stewardship
Als Antibiotic Stewardship wird das systematische und langfristige Bestreben von medizinischen Einrichtungen zur Verbesserung und Sicherstellung einer rationalen Anwendung von Antibiotika bezeichnet. Durch folgende Zielsetzungen soll die Resistenzentwicklung minimiert und die Qualität der Behandlung mit Antibiotika gesichert werden:
- Verbesserung der Verordnung von Antibiotika
- Einsatz eines Antibiotikums nur bei Bedarf
- Gewährleistung des richtigen Medikaments, der richtigen Dosis und Anwendungsdauer
Die Erreichung dieser Ziele soll durch Schulungen und Fortbildungen des medizinischen Personals, durch Messung von Verordnungsmengen und -qualität sowie den Einsatz von digitalen Verordnungs- und Dokumentationshilfen erfolgen. Die WHO hat 2015 den ersten globalen Aktionsplan zur Bekämpfung von anti-mikrobieller Resistenz verabschiedet und alle Länder aufgefordert, eigene nationale Aktionspläne zu entwickeln. Darin eingeschlossen ist nicht nur die Anwendung von Antibiotika beim Menschen, sondern auch in der Veterinärmedizin, wo weltweit große Antibiotikamengen eingesetzt werden. In Deutschland wurde von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Ministerien mit der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie „DART 2020” eine entsprechende Strategie erarbeitet. Seit 2023 gilt das Update DART 2030. Der aktuelle Aktionsplan ist von 2024 bis 2026 aktiv und hat folgende Ziele:
- Prävention von Infektionen (frühzeitige Unterbrechung von Infektionsketten)
- Frühzeitige Erkennung von Resistenzentwicklungen durch Überwachung und Monitoring
- Sachgerechter Antibiotikaeinsatz inklusive Labordiagnostik (Antibiotic Stewardship)
- Bewusstsein und Kompetenzen stärken durch Kommunikation und Kooperation (Problembewusstsein, Informationsvermittlung)
- Europäische und internationale Zusammenarbeit (globale Herausforderung!)
- Forschung und Entwicklung unterstützen (Beitrag zur Verringerung der Antibiotikaresistenz)
Künstliche Intelligenz zur Unterstützung von Forschung und Entwicklung
In verschiedenen Förderprojekten des Bundesministeriums für Forschung und Entwicklung wird untersucht, mit Unterstützung der künstlichen Intelligenz (KI) Resistenzen schneller aufzuspüren und neue Antibiotika zu entwickeln. Das Projekt „Computational Life Sciences” an den Universitäten Gießen und Marburg hat die Zielsetzung, durch KI-gestützte Datensatzanalysen Zusammenhänge zwischen Antibiotikaresistenzen und verschiedenen Genen oder Genmutationen zu identifizieren. Dazu werden Proben von Patienten entnommen, die mit multiresistenten Erregern besiedelt sind. Danach wird analysiert, wie die resistenten Bakterien auf verschiedene Antibiotika reagieren, wie sich das Wachstum verändert und welche Gene dabei an- oder ausgeschaltet werden. Ziel ist es, einen schnelleren und einfacheren Resistenztest zu entwickeln. Das Projekt KINBIOTICS soll mit künstlicher Intelligenz Mediziner bei der Verordnung von Antibiotika unterstützen, indem auf der Basis bekannter Patientendaten das wahrscheinlich wirksamste Antibiotikum errechnet wird. Außerdem soll die Identifizierung von Erregern und möglichen Resistenzen auf eine Zeitspanne von zwei Stunden verkürzt werden.
Evidenzbasierte Phytotherapie als Alternative zu Antibiotika
Um die Beschwerden von Patienten mit einer akuten Rhinosinusitis ohne Antibiotikaeinsatz lindern zu können, werden Alternativen benötigt, deren Wirksamkeit und Verträglichkeit durch kontrollierte klinische Studien dokumentiert wurden. Außerdem sollten die Mikrobiota nicht negativ beeinflusst werden. Der Einfluss des Pflanzenextraktes BNO1016 auf das Darmmikrobiom von Mäusen wurde im Vergleich zu verschiedenen Antibiotika untersucht. Die Mikrobiomanalyse erfolgte durch DNA-Sequenzierung. Neben einer Kontrollgruppe wurde eine Gruppe mit dem Breitspektrumantibiotikum Moxifloxazin behandelt, eine mit der Kombination aus Amoxicillin und Clavulansäure und zwei weitere Gruppen mit der einfachen und der zehnfachen humanäquivalenten Dosis von BNO1016. Von den insgesamt 40 Tieren wurden jeweils zu Beginn und nach sieben Tagen Wirkstoffexposition Mikrobiomproben entnommen und analysiert. Im Vergleich zu den Antibiotika, die die Diversität des Darmmikrobioms erwartungsgemäß deutlich verändert haben, hatte der Pflanzenextrakt BNO1016 keinen Einfluss auf das Darmmikrobiom der Mäuse. Um die klinische Wirksamkeit des Pflanzenextraktes BNO1016 zur Behandlung der akuten Rhinosinusitis zu dokumentieren, wurde eine Metaanalyse von klinischen Studien mit einer Gesamtanzahl von 676 Patienten durchgeführt. BNO1016 führte zu einer signifikanten Verbesserung des Symptom-Scores, die umso ausgeprägter war, je schwerer die Patienten erkrankt waren. In 97,9 % der Fälle reichte die Behandlung mit BNO1016 aus, und es war kein Antibiotikum im Nachbeobachtungszeitraum von einem Jahr notwendig. In zwei prospektiven, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten und multizentrischen Studien wurden insgesamt 589 Patienten mit einer akuten Rhinosinusitis für insgesamt 14 Tage entweder mit dreimal 160 mg BNO1016 oder mit dreimal einem Placebo behandelt. Die Symptomdauer durfte nicht länger als drei Tage sein, der Symptom-Score (MSS) sollte zwischen 8 und 12 Punkten liegen und der Score für den Gesichtsdruck zwischen 1 und 2 Punkten. Diese Einschlusskriterien entsprechen einer leichten bis mittelschweren akuten Rhinosinusitis. Bereits am dritten Tag konnte eine deutliche Verbesserung der Symptom-Scores unter dem Pflanzenextrakt im Vergleich zu Placebo dokumentiert werden. Eine Evidenz zur Wirksamkeit bei einer leichten bis mittelschweren akuten Rhinosinusitis in Form von doppelblinden placebokontrollierten randomisierten Studien liegt auch für Myrtol und Cineol vor. Die Kombination aus viermal 300 mg Myrtol standardisiert und Xylometazolin-Nasenspray war der Kombination aus Placebo und Xylometazolin-Nasenspray nach durchschnittlich sechs Tagen signifikant überlegen. Cineol in einer Dosierung von 3 x 2 Kapseln á 100 mg im Vergleich zu Placebo für eine Woche verabreicht führte ab dem vierten Tag zu einem signifikanten Rückgang des Symptom-Scores.
Praxistipps zur rationalen Anwendung von Antibiotika
Bevor ein Antibiotikum verordnet wird, sollten vier Fragen beantwortet werden:
- Hat mein Patient eine Infektion, die mit Antibiotika behandelt werden sollte?
- Benötige ich diagnostische Tests?
- Wenn Antibiotika, was ist die „schmalste”, sicherste und kürzeste Therapieoption (4-D-Regel: Drug, Dose, Duration, Deeskalation)?
- Hat mein Patient die Therapie und den zu erwartenden Verlauf inklusive „Follow-up” verstanden und akzeptiert?
Die Aufklärung der Patienten darüber, ob bei einer akuten Rhinosinusitis ein Antibiotikum notwendig ist oder nicht, hat einen hohen Stellenwert. Ein CRP-Point-of-Care-Test (CRP-POCT) kann hilfreich sein, um auch den Patienten davon zu überzeugen, dass wahrscheinlich keine bakterielle Infektion vorliegt und ein Antibiotikum deshalb nicht notwendig ist. Außerdem leistet Informationsmaterial zur Nichtwirksamkeit der Antibiotika (Infozept) bei viralen Infektionen und zur Antibiotikareduzierung gute Dienste. Auch die „Delayed Prescription” kann den Antibiotikaverbrauch reduzieren. Den Patienten wird ein Rezept für ein Antibiotikum ausgestellt, das erst bei einer Verschlimmerung der Symptome eingelöst wird. Wenn bei einer schweren akuten Rhinosinusitis ein Antibiotikum notwendig ist, sollte es nur für drei bis maximal fünf Tage in ausreichend hoher Dosierung verordnet werden. Je länger der Selektionsdruck aufrechterhalten wird, desto eher werden resistente Subklone der Bakterien selektiert. Auch diese kurze Therapiedauer muss den Patienten erklärt werden, weil viele verordnete Packungsgrößen der Antibiotika für einen längeren Zeitraum ausreichen.
Fazit
- Die akute Rhinosinusitis ist ein sehr häufiges Krankheitsbild in der Praxis und wird in den meisten Fällen durch eine Virusinfektion ausgelöst.
- Bei schweren Krankheitsverläufen mit starken Schmerzen und Fieber sowie bei Patienten mit besonderen Risikofaktoren empfehlen die Leitlinien in erster Linie die Gabe von Antibiotika wie zum Beispiel Amoxicillin oder Amoxicillin plus Clavulansäure.
- Die globale Resistenzentwicklung führt dazu, dass immer mehr Antibiotika unwirksam sind. Strategien im Rahmen des Antibiotic Stewardship wie eine kalkulierte Antibiotikatherapie können helfen, die Resistenzentwicklung einzudämmen.
- Antibiotika können nicht nur zu schwerwiegenden Nebenwirkungen führen, sondern schädigen die Mikrobiota, wie das Darmmikrobiom. Sie reduzieren die Diversität und schwächen die natürliche Virusimmunabwehr.
- Evidenzbasierte Phytotherapeutika sind gut verträglich, vermindern die Symptome einer akuten Rhinosinusitis und haben keine schädigenden Einflüsse auf das Darmmikrobiom.
- Informationsmaterial für Patienten über die Unwirksamkeit von Antibiotika bei Virusinfektionen und eine verzögerte Verordnung („Delayed Prescription”) können dazu beitragen, den Antibiotikaverbrauch zu senken.
- Wenn notwendig, sollten Antibiotika bei einer akuten Rhinosinusitis nur für drei bis fünf Tage in ausreichend hoher Dosis verordnet werden, um die Selektion resistenter Subklone einzuschränken.
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