Aktuelles Lipidmanagement: Ein Update

Erhöhte Serumkonzentrationen von Low Density Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) sind ein wesentlicher kausaler Risikofaktor für Atherosklerose und kardiovaskuläre Ereignisse. Daher stellt LDL-C den zentralen Parameter im Kontext des Therapiemanagements der Dyslipidämie dar. Die aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology und der European Atherosclerosis Society (ESC/EAS) empfehlen bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko einen LDL-C-Zielwert unter 55 mg/dl und eine Reduktion um mindestens 50 % des LDL-C-Ausgangswertes.

Lebensstilmaßnahmen wie Gewichtsreduktion bei Übergewicht und Rauchverzicht stellen die Basis des kardiovaskulären Risikomanagements dar. Statine werden nach wie vor als medikamentöse Erstlinientherapie eingesetzt. In der klinischen Routine werden die empfohlenen LDL-C-Zielwerte jedoch häufig nicht erreicht. Ein Grund hierfür ist die oftmals unzureichende Ausschöpfung verfügbarer lipidsenkender Wirkstoffe, die neben Statinen v. a. Ezetimib und PCSK9-(Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9-)Antikörper beinhalten. Inzwischen stehen neue Lipidsenker wie Inclisiran und die Bempedoinsäure zur Verfügung. Nahrungsergänzungsmittel können eine sinnvolle Ergänzung darstellen.

Kursinfo
VNR-Nummer 2760709125026130019
Zeitraum 25.01.2025 - 24.01.2026
Zertifiziert in D, A
Zertifiziert durch Akademie für Ärztliche Fortbildung Rheinland Pfalz
CME-Punkte 2 Punkte (Kategorie D)
Zielgruppe Ärzte
Referent Prof. Dr. med. Christoph Säly
Redaktion CME-Verlag
Veranstaltungstyp Webcast
Lernmaterial Vortrag, Handout (pdf), Lernerfolgskontrolle
Fortbildungspartner CME-Verlag
Bewertung 4.4 (755)

Einführung

Atherosklerose ist sehr verbreitet und die aus ihr resultierenden kardiovaskulären Ereignisse wie Myokardinfarkte oder ischämische Schlaganfälle stellen die weltweit häufigsten Todesursachen dar. Erhöhte Serumkonzentrationen von Low Density Lipoprotein-Cholesterin (LDL-C) sind nachweislich eine der führenden Ursachen für Atherosklerose und kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität dar. Die koronare Herzerkrankung (KHK) ist dabei die häufigste kardiovaskuläre Erkrankung. Die Transplantate klinisch als herzgesund eingestufter Spender weisen altersabhängig in einer Mehrzahl eine Atherosklerose der Herzkranzgefäße auf. Bei >90 % der untersuchten Spenderherzen im Alter von >50 Jahren bestanden in einer Studie Zeichen einer KHK. Ein besonders hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse weisen Atherosklerosepatienten mit Diabetes auf. Es besteht eine klare Evidenz, dass eine Senkung von LDL-C zu einer Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse führt. Dieser Zusammenhang gilt als eines der am besten überprüften medizinischen Konzepte überhaupt und wird von einer Vielzahl hochqualitativer Studien bestätigt. Dazu gehören umfangreiche epidemiologische Studien, experimentelle Untersuchungen sowie klinische Daten. Dabei scheint ein linearer Zusammenhang zwischen LDL-C-Senkung und Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse zu bestehen: Eine Senkung der LDL-C-Konzentration um 1 mmol/l führt zu einer Reduktion der Gesamtmortalität von 12 % und einer Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse von 21 %. Ein unterer LDL-C-Grenzwert, unterhalb dessen es zu keiner weiteren Risikoreduktion mehr kommt, konnte bisher nicht ermittelt werden. Zudem gibt es bislang keine Hinweise, dass sehr niedrige LDL-C-Werte mit unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen. Die LDL-C-Senkung scheint darüber hinaus auch zu einer Reduktion des Plaquevolumens und einer erhöhten Plaquestabilität zu führen. In diesem Kontext ist nicht nur das momentane Ausmaß der LDL-C-Senkung relevant, sondern auch die kumulative zeitliche LDL-C-Exposition. Diese Ergebnisse unterstreichen den Stellenwert frühzeitiger LDL-C-senkender Interventionen.

Lipiddiagnose

Als Basisempfehlung erfolgt die Bestimmung von Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin, HDL-Cholesterin und Triglyzeriden sowie die Berechnung der Nicht-HDL-Cholesterin-Konzentration. Falls unbekannt, sollte einmalig der Lipoprotein(a)-Wert bestimmt werden. Bei Fehlen einer Hypertriglyzeridämie und direkter Bestimmung des LDL-Cholesterins kann diese auch im nicht nüchternen Zustand erfolgen. Wird das LDL-Cholesterin über die Friedewald-Formel berechnet, sollte der Patient nüchtern sein, da der Triglyzeridspiegel in die Berechnung einfließt. Eine genetische Diagnostik ist bei starkem Verdacht auf familiäre Hypercholesterinämie oder schwere monogene Hypertriglyzeridämie (familiäres Chylomikronämiesyndrom) indiziert, wenn dies Auswirkungen auf die Indikationsstellung und Therapieplanung hat.

Europäische Leitlinien zum Management von Dyslipidämie (2019)

Die Erkenntnisse zur Bedeutung der LDL-C-Senkung für die Prognose der Atherosklerose haben Eingang in die Leitlinien der ESC/EAS von 2019 gefunden. Besonders für Patienten mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko wird eine konsequente Senkung von LDL-C empfohlen. Medikamentöse Optionen dafür sind Statine, Ezetimib und PCSK9-(Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9-)Antikörper. Die Wirksamkeit dieser Medikamente für die kardiovaskuläre Risikoreduktion ist durch klinische Studien eindeutig belegt. Die Intensität der LDL-D-senkenden Therapie wird durch das individuelle Risiko bestimmt. Der LDL-C-Zielwert wird in Abhängigkeit von der Risikokategorie definiert. Für asymptomatische Patienten im Alter von 40 bis 70 Jahren wird das SCORE-System verwendet, das das individuelle 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse berechnet. Inzwischen wurden mit SCORE2 und SCORE2-OP (letzterer für ältere Personen) optimierte Nachfolger veröffentlicht. Die Scores sind online frei verfügbar. Bei Patienten mit „sehr hohem Risiko” gemäß SCORE-System wird eine LDL-C-Senkung ≥50 % und [!] eine absolute Senkung <55 mg/dl (<1,4 mmol/l) empfohlen. Wichtig ist, dass Patienten mit etablierter Atherosklerose und dass die meisten Patienten mit Diabetes auch als Patienten mit „sehr hohem Risiko” eingestuft und entsprechend konsequent behandelt werden.

Europäische Leitlinien zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen (2021)

Die neue ESC-Leitlinie von 2021 zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen beinhaltet Empfehlungen sowohl für Gesunde als auch für kardiovaskulär und metabolisch vorerkrankte Personen. Die Leitlinie gibt auch Empfehlungen für Menschen im Alter von 70 bis 90 Jahren, die in bisherigen Leitlinien wenig Berücksichtigung erfahren haben. Die Leitlinie verfolgt dabei konsequent einen sequenziellen Ansatz für personalisierte Präventionsstrategien. Es wird eine Stufentherapie zur LDL-C-Reduktion empfohlen, die auf dem errechneten 10-Jahres-Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse basiert. Primär wird ein hochpotentes Statin als Erstlinientherapie eingesetzt. Wenn der Zielwert nicht erreicht wird, sollte eine Kombination mit Ezetimib erfolgen. In der Sekundärprävention wird bei Nichterreichen der Zielwerte durch die Kombination von Statin plus Ezetimibe zusätzlich ein PCSK9-Inhibitor empfohlen. Bei Patienten mit LDL-C-Werten >190 mg/dl sollte eine Untersuchung auf familiäre Hypercholesterinämie anhand der „Dutch Lipid Clinic Network”-(DLCN-)Kriterien sowie mittels genetischer Testung erfolgen.

Europäische Leitlinie Therapiemanagement kardiovaskulärer Erkrankungen bei Diabetes (2023)

Patienten mit Diabetes mellitus weisen in der Regel ein signifikant erhöhtes kardiovaskuläres Risiko auf. Daher stellt die Senkung von LDL- bzw. Nicht-HDL-Cholestrin im Rahmen einer auf der individuellen Risikostratifizierung basierenden Lipidtherapie einen zentralen Bestandteil der Diabetestherapie dar. Das gleichzeitige Vorliegen beider Komorbiditäten beeinflusst nicht nur maßgeblich die Prognose der Patienten, sondern ist auch zentral für die Umsetzung einer evidenzbasierten Therapie zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Daher ist es essenziell, diese Komorbiditäten frühzeitig zu erkennen, Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen auf Diabetes zu screenen und bei Patienten mit Diabetes regelmäßig das Vorhandensein kardiovaskulärer Erkrankungen wie arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen oder Herzinsuffizienz zu evaluieren. Für Patienten mit Typ-2-Diabetes ohne atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen oder schwere Endorganschäden empfehlen die neuen Leitlinien die Anwendung des kardiovaskulären 10-Jahres-Risiko-Scores SCORE2-Diabetes. Der SCORE2-Diabetes integriert konventionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Alter, Raucherstatus, systolischen Blutdruck sowie Gesamt- und HDL-Cholesterin mit diabetesbezogenen Parametern wie dem Alter bei Diagnosestellung, HbA1c und eGFR. Dadurch ermöglicht er die Einstufung von Patienten ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung in die Kategorien geringes, moderates, hohes oder sehr hohes kardiovaskuläres Risiko. Typ-2-Diabetes ist mit einem Cluster aus Lipid- und Apolipoproteinabnormalitäten assoziiert. Zu den Kernmerkmalen gehören mäßig erhöhte Plasma-Triglyzeride (TG), TG-reiche Lipoproteine (TRL) und TRL-Cholesterinspiegel, normal bis leicht erhöhte LDL-C-Werte sowie niedriges HDL-C. Struktur und Funktion der Lipoproteine können ebenfalls verändert sein, so ist ein erhöhtes Vorkommen von kleinen, dichten LDL (englisch small dense LDL, sdLDL) zu beobachten. Dieselben Abnormitäten werden auch bei Patienten mit Typ-1-Diabetes beobachtet, bei denen eine langjährige Exposition gegenüber Dyslipidämie bereits im Jugendalter Atherosklerose begünstigen kann. Eine ausreichende absolute Senkung des Cholesterins in ApoB-tragenden Lipoproteinen ist essenziell. Während der LDL-C-Wert bei den meisten Patienten als guter Indikator dient, reicht er bei gemischter, diabetischer Dyslipidämie nicht aus, um die Belastung durch zirkulierende atherosklerotische Lipoproteine adäquat abzubilden. Diese Form der Dyslipidämie ist gekennzeichnet durch erhöhte Triglyzeride, vermindertes HDL-C sowie vermehrte triglyzeridreiche Lipoproteine wie IDL, VLDL und deren Remnants, die ebenfalls atherogen wirken. Die LDL-C-Werte sind bei Patienten mit Typ-2-Diabetes häufig normal oder niedrig, wodurch das atherogene Risiko unterschätzt werden kann. Dies führt nicht selten zu einer verzögerten oder unzureichend intensiven lipidsenkenden Therapie, was das Fortschreiten der Atherosklerose und vermeidbare klinische Ereignisse begünstigt. Daher empfehlen die europäischen Leitlinien sowie die Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), neben dem LDL-C auch das Nicht-HDL-C als Behandlungsziel in der Therapie zu berücksichtigen. Das Nicht-HDL-C, berechnet aus dem Gesamtcholesterin abzüglich HDL-C, spiegelt die Gesamtmenge der atherogenen Lipoproteine wider, einschließlich Remnant-Cholesterin (RC) und LDL-C.

Die wichtigsten Lipidmedikamente

Statine hemmen die Cholesterinbiosynthese und stellen nach wie vor die Basis der medikamentösen Lipidtherapie dar. Die Hemmung der endogenen Cholesterinbiosynthese bewirkt eine verstärkte Expression von LDL-C-Rezeptoren auf der Zelloberfläche und in der Folge eine vermehrte Aufnahme von zirkulierendem Cholesterin in die Zellen. Dies hat zur Folge, dass das LDL-C sinkt und die LDL-C-Exposition der Gefäßwände abnimmt. Die Wirkung von Ezetimib ist auf die Hemmung der Cholesterinresorption im Dünndarm zurückzuführen. PCSK9-Hemmer sind Inhibitoren der Proproteinkonvertase PCSK9, die zum Abbau von LDL-Rezeptoren beiträgt. Durch PCSK9 wird somit die Anzahl von LDL-Rezeptoren auf der Leberzelloberfläche verringert. PCSK9-Hemmer binden an die zirkulierenden PCSK9 und verhindern deren Bindung an LDL-Rezeptoren. Der „Recycling”-Zyklus der LDL-Rezeptoren bleibt damit ununterbrochen, die Zahl der LDL-Rezeptoren auf der Zelloberfläche wird erhöht. Als PCSK9-Hemmer sind in der Europäischen Union seit 2015 die beiden monoklonalen Antikörper Alirocumab und Evolocumab zugelassen. Studien wie ODYSSEY OUTCOMES und FOURIER zeigten, dass die Senkung des LDL-C-Spiegels durch diese Antikörper kardiovaskuläre Ereignisse verringern kann. In beiden Studien waren die prozentualen LDL-C- und Nicht-HDL-C- Senkungen sowie die relative Risikoreduktion bei Patienten mit und ohne Diabetes ähnlich. Die absolute Risikoreduktion für kardiovaskuläre Ereignisse mit Alirocumab war jedoch bei Patienten mit Diabetes im Vergleich zu denen ohne Diabetes etwa doppelt so hoch. Basierend auf den Ergebnissen der FOURIER-Studie müssten demnach 37 Patienten mit Diabetes über 3 Jahre mit Evolocumab behandelt werden, um ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern, im Vergleich zu 62 Patienten ohne Diabetes. Durch den optimalen Einsatz der zur Verfügung stehenden Lipidmedikamente lässt sich in der Regel eine wesentliche LDL-C-Senkung erreichen. Während die Monotherapie mit einem Statin moderater Potenz (z. B. Simvastatin 20 bis 40 mg/Tag) eine LDL-C-Reduktion um etwa 30 % bewirkt, kann die Kombination aus einem hochpotenten Statin (z. B. Atorvastatin 40 bis 80 mg/Tag oder Rosuvastatin 20 mg/Tag) und Ezetimib eine Reduktion um bis zu 65 % erreichen. Eine Dreifachkombination aus PCSK9-Inhibitor, Statin mit hoher Potenz und Ezetimib kann sogar zu einer LDL-C-Senkung um 85 % führen. Die ESC/EAS-Leitlinien von 2019 empfehlen einen sequenziellen Einsatz der lipid-senkenden Therapie. Hierbei kommt zunächst ein hochpotentes Statin als Monotherapie zum Einsatz. Dieses wird zielwertorientiert bis zur höchsten zugelassenen (bzw. vom Patienten tolerierten) Dosis aufdosiert. Sofern der LDL-C-Zielwert nicht erreicht wird, sollte Ezetimib hinzugenommen werden. Erst wenn die Zweifachkombination nicht ausreicht, wird eine Dreifachkombination aus Statin, Ezetimib und PCSK9-Inhibitor eingesetzt. In seltenen Fällen einer echten Statinunverträglichkeit kann primär Ezetimib zusammen mit einem PCSK9-Inhibitor angewandt werden.

Neue Lipidsenkende Substanzen

Seit November 2020 sind Bempedoinsäure und seit Februar 2021 Inclisiran als weitere lipidsenkende Medikamente verfügbar. Bempedoinsäure wird vor allem bei Patienten mit Statinintoleranz eingesetzt, in Kombination mit Ezetimib und/oder Statinen, kann jedoch auch zusätzlich zu hochdosierten Statinen und Ezetimib angewendet werden.

Inclisiran

Während die PCSK9-Antikörper PCSK9 extrazellulär hemmen, führt ein neuer Ansatz, der sich das Phänomen der RNA-Interferenz zunutze macht, zur intrazellulären Blockade der PCSK9-Synthese in der Leberzelle. Am besten untersucht ist der seit 2021 zugelassene Wirkstoff Inclisiran. Dabei handelt es sich um ein modifiziertes doppelsträngiges RNA-Molekül (sog. „small interfering-RNA” [siRNA]). Inclisiran wird subkutan verabreicht. In den Studien ORION-9, -10 und -11 senkte Inclisiran das LDL-C bei mit Statinen vorbehandelten Patienten um etwa 50 %. Nebenwirkungen traten selten auf und bestanden vor allem in leichten Reaktionen an der Injektionsstelle. Im Vergleich zu oral einzunehmenden Medikamenten mit täglicher Einnahme zeigt Inclisiran eine geringere intraindividuelle LDL-C-Variabilität. Dies könnte zu einer stärkeren Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse führen als bei anderen Therapien mit ähnlicher prozentualer LDL-C-Senkung, jedoch höherer inhärenter Variabilität, wie beispielsweise hochdosierten Statinen. Die laufende ORION-4-Studie mit etwa 15.000 Teilnehmern wird den kardiovaskulären Nutzen von Inclisiran klären, wobei erste Ergebnisse für 2026–2027 erwartet werden. Darüber hinaus wird in der VICTORION-2 PREVENT-Studie, die voraussichtlich 2027 abgeschlossen sein wird, der kardiovaskuläre Nutzen von Inclisiran bei Patienten mit etablierter kardiovaskulärer Erkrankung untersucht. Inclisiran stellt eine Alternative zu PCSK9-Antikörpern dar, jedoch liegt bislang keine Endpunktstudie für Inclisiran vor. Laut Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) müssen PCSK9-Inhibitoren und Inclisiran von einem Internisten mit Schwerpunktbezeichnung in Kardiologie, Nephrologie, Endokrinologie, Angiologie oder einer speziellen Lipidambulanz verordnet werden. Anschließend können diese Medikamente vom Hausarzt weiter verschrieben werden.

Bempedoinsäure

Bei der Bempedoinsäure handelt es sich um einen neuen oralen LDL-C-senkenden Wirkstoff. Bempedoinsäure hemmt das Enzym Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase, das einen Schritt der Cholesterinbiosynthese katalysiert. Daher greift Bempedoinsäure am selben Stoffwechselweg an wie die Statine. Im Unterschied zu Statinen wird Bempedoinsäure durch ein leberspezifisches Enzym aktiviert, das in Skelettmuskelzellen nicht vorhanden ist. Die Substanz erscheint daher speziell bei Patienten mit statinassoziierter Myopathie vielversprechend. Unter Bempedoinsäure wird in Abhängigkeit von der Hintergrundbehandlung mit einem Statin eine gut 20%ige LDL-C-Senkung in Mono- und eine über 40%ige Senkung in Kombinationstherapie mit Ezetimib erreicht. Bempedoinsäure steigert zudem die Aktivität der adenosinmonophosphataktivierten Proteinkinase (AMPK), wodurch die Glukoneogenese sowie die Synthese von Fettsäuren und Cholesterin gehemmt werden. Die CLEAR-Outcomes- Studie zeigte, dass die Behandlung mit Bempedoinsäure bei Patienten mit Statinintoleranz im Vergleich zu Placebo eine 13 %ige Reduktion des primären Endpunkts erreichte, der kardiovaskulären Tod, nichttödlichen Herzinfarkt, nichttödlichen Schlaganfall und koronare Revaskularisation umfasste. Bempedoinsäure hat sich bisher als sicher und gut verträglich erwiesen. In der mit Bempedoinsäure behandelten Gruppe kam es im Vergleich zur Placebogruppe zu einem leichten Anstieg der Harnsäure sowie einer häufiger auftretenden Gicht (1,2 % gegenüber 0,3 %).

Besondere klinische Situationen

Dyslipidämie bei älteren Menschen

Ältere Menschen weisen ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auf. Hinzu kommt, dass Komorbiditäten bei älteren Patienten häufiger auftreten als bei jüngeren Personen. Lange Zeit wurde bezweifelt, ob ältere Menschen im Hinblick auf kardiovaskuläre Ereignisse überhaupt von einer LDL-C-Senkung profitieren. Eine Metaanalyse unter Einschluss von >244.000 Patienten aus 29 Studien, davon fast 21.500 im Alter von >75 Jahren, kommt jedoch zu dem Schluss, dass die LDL-C-Senkung bei älteren Menschen eine mit jüngeren Altersgruppen vergleichbare relative Risikoreduktion erreicht. Da ältere Personen in der Regel ein höheres Ausgangsrisiko aufweisen, fällt die absolute Risikoreduktion bei ähnlicher relativer Risikoreduktion sogar noch stärker aus als bei jüngeren Patienten. Diese Daten sprechen für einen konsequenten Einsatz der lipidsenkenden Therapie auch bei älteren Patienten mit Dyslipidämie.

Familiäre Hypercholesterinämie

Die Prädisposition für ein erhöhtes LDL-C ist unter anderem durch genetische Polymorphismen vermittelt und damit zu einem erheblichen Teil erblich bedingt. Familiäre Hypercholesterinämien im engeren Sinn werden hingegen durch einzelne Genmutationen verursacht. Die häufigste zugrunde liegende Mutation ist hierbei eine Loss-of-Function-Mutation im LDL-Rezeptor, die für etwa 90 % der Fälle verantwortlich ist. Betroffene weisen ein sehr hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse auf, die bereits in einem jungen Alter auftreten können. Die familiäre Hypercholesterinämie kommt relativ häufig vor. In einer dänischen Population wurde eine Prävalenz der heterozygoten familiären Hypercholesterinämie von 1 : 200 nachgewiesen. An familiäre Hypercholesterinämie sollte insbesondere bei sehr hohen LDL-C-Werten >190 mg/dl (4,9 mmol/l) gedacht werden. Der Dutch Lipid Clinic Network Score (DLCNS) kann zur Ermittlung der Prätestwahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer heterozygoten familiären Hypercholesterinämie herangezogen werden. Die Kriterien beinhalten neben den LDL-C-Werten folgendes:
  • auffällige Familienanamnese bei erstgradigen Verwandten,
  • kardiovaskuläre Erkrankungen in einem relativ jungen Alter (Männer <55 Jahre, Frauen <60 Jahre) oder LDL-C-Werte oberhalb der 95.- Altersperzentile,
  • auffällige körperliche Untersuchung mit Sehnenscheiden-Xanthomen
  • oder Auftreten eines Arcus cornealis vor dem 45. Lebensjahr sowie genetische Befunde, sofern vorhanden.
  • Gemäß dem Konzept der kumulativen LDL-Exposition kommt es auch bei der familiären Hypercholesterinämie darauf an, diese möglichst früh zu erkennen. Betroffene sollen bereits in einem jungen Alter Interventionen zugeführt werden, um die langfristige kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Statinintoleranz

Neuere Daten weisen darauf hin, dass die Häufigkeit und Relevanz der Statinintoleranz in der Vergangenheit wahrscheinlich stark überschätzt wurde. Es spielt der Noceboeffekt (ungünstiger Effekt, der auf psychologische Ursachen zurückzuführen ist) nachweislich eine wesentliche Rolle. Natürlich sind Beschwerden unter Statineinnahme dennoch ernst zu nehmen, ggf. müssen andere Wirkstoffe eingesetzt werden. Wichtig ist eine Aufklärung der Patienten über den klar bewiesenen Nutzen der Statintherapie und die geringe Wahrscheinlichkeit von unerwünschten Wirkungen.

Lipoproteinapherese

Die Lipoproteinapherese wird erst nach Ausschöpfung aller diätetischen und medikamentösen Therapiemöglichkeiten eingesetzt und erfordert ein gesondertes Antragsverfahren. Wird klinisch die Indikation zur Lipoproteinapherese gestellt, empfiehlt der G-BA alternativ die Gabe eines PCSK9-Inhibitors, da dies wirtschaftlich sinnvoll ist. Bei Patienten, die bereits primär zur LDL-Cholesterinsenkung eine Lipoproteinapherese erhalten, sollte durch den Einsatz eines PCSK9-Antikörpers die Häufigkeit der Apherese reduziert und gegebenenfalls die Beendigung der Therapie angestrebt werden.

Stellenwert von Triglyceriden und Lp(a)

Der Nutzen der LDL-C-Senkung ist heute fest etabliert. Anders sieht es jedoch in Bezug auf die Senkung der Triglyceride aus. Zahlreiche Studien konnten eine weitere kardiovaskuläre Risikoreduktion durch zusätzliche Senkung der Triglyceride (z. B. mit Fibraten) bei bereits etablierter Statintherapie nicht nachweisen. Lipoprotein (a) – Lp(a) – gilt als hochgradig atherogen. Die Serumspiegel unterliegen einer erheblichen interindividuellen Variation. Etwa 90 % des Lp(a)-Spiegels gilt als erblich bedingt. Bei besonders hohen Lp(a)-Werten >180 mg/dl ist das kardiovaskuläre Risiko stark erhöht. Lp(a) wird in der Routinelipiddiagnostik oft nicht miterfasst. Es wird aber in den aktuellen ESC-Leitlinien empfohlen, Lp(a) einmal im Leben bestimmen zu lassen. Bei erhöhten Werten sollten erstgradige Verwandte ebenfalls untersucht werden. Eine neue, in der klinischen Entwicklung befindliche Strategie sind siRNA, die durch Degradierung der Ziel-mRNA eine RNA-basierte Hemmung der Translation von Lp(a)-Partikeln bewirken. Dieses Prinzip wird bereits mit Inclisiran zur Reduktion des LDL-Cholesterins eingesetzt. Erste Daten mit dem Antisense-Oligonukleotid Pelacarsen zeigen vielversprechende Ergebnisse, mit einer Senkung der Lipoprotein(a)-Konzentration um 80 %. Derzeit wird eine große randomisierte Endpunktstudie durchgeführt, deren Ergebnisse wichtige Erkenntnisse zu Lp(a) als Risikomarker liefern sollen.

Lebensstilmodifikationen und rationaler Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln

Die Lebensstilmodifikation gilt als Basis der Lipidtherapie. Dazu gehören die Integration regelmäßige körperlicher Aktivität in den Alltag, das Aufrechterhalten eines Body-Mass-Index von 20 bis 25 kg/m2 sowie die Begrenzung des Taillenumfanges <94 cm für Männer und <80 cm für Frauen. Zudem werden Blutdruckwerte von zumindest <140/90 mmHg, ein HbA1c-Wert <7 % (<53 mmol/mol) bei Diabetes und der Verzicht auf Tabakprodukte empfohlen. Für Ernährungsempfehlungen liegt bislang eine eher begrenzte Evidenz vor. Triglyceridreiche Lipoproteine können insbesondere durch Vermeidung von Übergewicht, Reduktion von Alkohol- und Kohlenhydratkonsum, durch Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren, Ersatz von gesättigten durch ungesättigte Fettsäuren sowie durch regelmäßige körperliche Aktivität verringert werden. Zur Senkung von LDL-C wird eine Reduktion von Transfetten, eine Reduktion von gesättigten Fetten und eine Steigerung des Ballaststoffgehaltes der Nahrung empfohlen. Die ESC/EAS-Leitlinien von 2019 führen zudem die Aufnahme von mit Phytosterolen angereicherten Lebensmitteln und Nutraceuticals (Nährstoffe mit einem gesundheitlichen, quasipharmakologischen Mehrwert) mit rotem Hefereis als nachweislich wirksame Interventionen zur Senkung des LDL-C an. Ein direkter Nachweis der Risikoreduktion für kardiovaskuläre Endpunkte steht bislang jedoch noch aus. Weitere Nutraceuticals für die Lipidtherapie werden gegenwärtig untersucht. Es liegen beispielsweise positive Daten bezüglich Lipidsenkung für ein Bergamotte-Flavonoid-Extrakt vor, das u. a. auch Phytosterole enthält. In der Studie konnte eine LDL-C-Reduktion um 16 % sowie eine Triglyceridsenkung um 20 % erreicht werden, was einer mit Ezetimib vergleichbaren Wirkung entspricht. Die Kombination von einem Nutraceutical, das Bergamotte- und Artischockenextrakt sowie Phytosterole enthält, mit einer mediterranen Diät konnte eine LDL-C-Senkung um 22 % erzielen.

Probleme bei der Zielwerterreichung und Versorgungsrealität

Mehrere epidemiologische Studien weisen auf eine deutliche Diskrepanz zwischen Leitlinienempfehlungen und der klinischen Versorgungsrealität hin. Die DaVinci-Studie, eine EU-weite Erhebung zur medikamentösen Lipidtherapie, zeigt, dass nur 38 % der Patienten in der Sekundärprävention mit hochpotenten Statinen behandelt werden, nur 9 % erhalten eine Kombinationstherapie mit Ezetimib, lediglich 1 % der Patienten wird mit PCSK9-Antikörpern behandelt. Folgerichtig erreichen >80 % der Behandelten die in den aktuellen europäischen Leitlinien festgelegten LDL-C-Zielwerte nicht. Ähnlich ernüchternde Daten liefern auch die jüngsten Untersuchungen der EUROASPIRE-Studien, die regelmäßig die Versorgungsqualität von Patienten mit KHK erfassen. Wohlgemerkt werden in diesen Statistiken nur die diagnostizierten und behandelten Patienten berücksichtigt; die Dunkelziffer der Patienten, die überhaupt keine Versorgung erhalten, wird hier noch gar nicht miterfasst. Daher verweisen diese Daten auf eine alarmierende Versorgungsrealität von Patienten mit Dyslipidämie.

Fazit

  • Die Senkung von LDL-C stellt unbestritten eine effektive Maßnahme zur kardiovaskulären Risikoreduktion dar.
  • Lebensstilmaßnahmen sind die Basis des kardiovaskulären Risikomanagements, dazu gehören insbesondere Aufrechterhalten von Normgewicht, Rauchverzicht, regelmäßige körperliche Betätigung und eine ausgewogene Ernährung. Auch das LDL-C kann durch Lebensstilmaßnahmen günstig beeinflusst werden.
  • Eine Reihe LDL-C-senkender Medikamente ist nachweislich wirksam in der kardiovaskulären Risikoreduktion; diese Medikamente werden jedoch oft zu wenig eingesetzt.
  • Für die medikamentöse LDL-C-Senkung empfehlen die europäischen Leitlinien primär den Einsatz von Statinen; wenn hochpotente Statine allein nicht ausreichen, können Ezetimib und eventuell zusätzlich ein PCSK9-Hemmer hinzugenommen werden.
  • Auch Ältere Menschen profitieren im Hinblick auf eine kardiovaskuläre Risikoreduktion von einer zielwertorientierten LDL-C-senkenden Therapie.
  • Personen mit familiärer Hypercholesterinämie müssen identifiziert und so früh wie möglich einer konsequenten lipidsenkenden Therapie zugeführt werden.
  • Nahrungsergänzungsmittel können die Lipidsenkung zusätzlich unterstützen.
  • Es besteht eine wesentliche Diskrepanz zwischen den Leitlinienempfehlungen zur Lipidtherapie und der Versorgungsrealität gilt es zu schließen.

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